Schweiz nach Remis gegen Deutschland Gruppenzweiter – diese Gegner könnten nun im Achtelfinal warten
Leiden. Immer weiter. Es ist längst zum Schweizer Motto geworden. Wird dieser Traum wirklich wahr? Ein Sieg über den grossen Bruder? An einem grossen Turnier und dann auch noch in Deutschland?
1:0 führt die Nati seit der 28. Minute. Deutschlands Druck nimmt mit jeder Minute zu. Immer wieder fliegen Flanken vors Tor. Einmal muss der VAR überprüfen, ob Widmer zu sehr am Trikot seines Gegners reisst – es reicht nicht für die Penalty-Strafe.
20 Minuten noch. Der deutsche Teil des Publikums wird langsam nervös, weil die Ideen weiter fehlen. Die Schweizer halten dagegen. Feiern jede Entlastung frenetisch. Die Stimmung ist atemberaubend.
Widmer verursacht ein Foul, holt sich die gelbe Karte und ist damit gesperrt. Wie schon an der WM wird er den Achtelfinal verpassen. Deutschland wirft jetzt mehr nach vorne, die Räume öffnen sich. Tatsächlich trifft Vargas nach einem Konter, sein Jubel ist aber verfrüht, er steht im Abseits.
Füllkrug köpft spät zum Ausgleich ein
Weiter geht’s. Xhaka schiesst, Neuer fliegt, immer noch 1:0. Nachspielzeit. Die Schweizer verteidigen weiter leidenschaftlich, grossartig gar. Aber dann kommt die eine Flanke zu viel geflogen. Widmer kann sie nicht verhindern und in der Mitte steht Füllkrug zum Kopfball bereit. Der späte Ausgleich ist Tatsache. Wie bitter!
Kurz darauf ist Schluss. Was bedeutet nun dieses Unentschieden für den weiteren Verlauf der EM? Die Schweiz beendet die Gruppenphase mit fünf Punkten auf Rang 2.
Klar ist damit, dass die Nati ihren Achtelfinal am nächsten Samstag um 18 Uhr in Berlin bestreitet. Gegner wird der Zweite der Gruppe B sein. Vermutlich also Italien oder Kroatien. Die beiden treffen am Montagabend im Direktduell aufeinander. Gewinnt Italien oder endet die Partie unentschieden, trifft die Schweiz auf Italien. Siegen die Kroaten, treffen sie auf die Schweiz – ausser Albanien würde gleichzeitig Spanien besiegen, dann entscheidet die Tordifferenz.
Dan Ndoye ist bisher der Schweizer Mann der EM
Yakin nominiert im dritten EM-Spiel zum dritten Mal eine andere Startformation. Embolo darf diesmal von Anfang an beginnen. Genauso wie Rieder. Dafür sind Shaqiri und Vargas Ersatz. Und wieder lässt sich sagen: Yakins Überlegungen gehen auf.
Gut, Embolo kann nicht verbergen, dass er sehr viele Monate in dieser Saison verpasste. Immer wieder misslingen ihm kleine Details, er lanciert gar zweimal einen deutschen Konter. Aber immer wieder gelingt es ihm, für Entlastung zu sorgen. Rieder legt ein enormes Laufpensum zurück und ist einer der Gründe, warum Toni Kroos lange nicht zur gewohnten Entfaltung kommt.
Nicht ganz eine halbe Stunde ist gespielt, als die Schweizer erstmals zielstrebig und gefährlich vor dem deutschen Tor auftauchen. Und sogleich jubeln dürfen. Ndoye, Rieder, Freuler und wieder Ndoye, so geht diese wunderbare Ballstafette. Wie Ndoye seinen Fuss in die Hereingabe hält, ist grosse Klasse. Wie er zuvor Bewacher Tah enteilt genauso.
Es ist das erste Nati-Tor für den 23-jährigen Flügel aus Nyon. Gegen Schottland vergab er noch zwei grosse Chancen. «Irgendwann kommt dieses Tor», sagt er unter der Woche und gibt sich dabei ziemlich entspannt. Nun ist der Bann tatsächlich gebrochen. Und im Jubel sieht man all die Erleichterung in seinem Gesicht. Ndoye ist so etwas wie der Mann der EM bisher aus Schweizer Sicht. Sein Tempo bringt frischen Wind in dieses Team. Die Prognose ist kaum gewagt: Er wird der Schweiz noch viel Freude bereiten.
Lange sieht es so aus, als würde dieser Treffer tatsächlich reichen für den Sieg. Dass es anders kommt, ist ein später Dämpfer. Aber die Nati darf aus diesem Spiel viel Mut schöpfen für den Achtelfinal. Spieler, Trainer und Staff lassen sich im Anschluss an die Partie zurecht feiern vom Publikum.
Eines jedenfalls ist jetzt schon klar: Egal, wie der nächste Gegner auch heisst, dieses Schweizer Team muss man erst einmal besiegen.