«Der Mann aus Rothrist»: Goalie mit Schweizer Vergangenheit sichert Portugal den Viertelfinal-Einzug – Ronaldo weint
Nach dem Happy End im Elfmeter-Krimi stürmten alle Portugiesen zu Torhüter-Held Diogo Costa – als letzter Cristiano Ronaldo. Der 39 Jahre alte Superstar darf nach einem dramatischen Abend samt vergossenen Tränen nach einem verschossenen Elfmeter weiter von einer erneuten Krönung als Europameister träumen.
Der in der Schweiz geborene Goalie Diogo Costa – «der Mann aus Rothrist», wie Sascha Ruefer auf SRF kommentierte – wurde in Frankfurt zum Matchwinner. Er parierte nach den 120 torlosen Minuten alle drei Penalty-Versuche der Slowenen. «Das ist das beste Spiel in meinem Leben gewesen», sagte Costa nach dem hochdramatischen Achtelfinale. Er sei beim Elfmeterschiessen einfach nur seinem Instinkt gefolgt, betonte der Torhüter, der auch zum Spieler des Spiels gewählt wurde. «Ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich der Mannschaft helfen konnte.» Costa zog im Alter von sieben Jahren mit den Eltern nach Portugal; seine fussballerische Ausbildung genoss er ganz dort.
Diogo Costa sorgte für eine Premiere
Der 24-Jährige ist der erste Keeper mit drei Paraden in einem Elfmeterschiessen bei einer EM, wie die Europäische Fussball-Union UEFA auf der Online-Plattform X mitteilte. Vor dem Elfmeterschiessen – in der Schlussphase der Verlängerung – hatte Costa eine weitere Glanztat gegen die Slowenen gezeigt. Der Keeper vom FC Porto hielt im Eins-gegen-eins einen Schuss von Benjamin Sesko mit einer starken Fussabwehr und rettete die Portugiesen damit überhaupt erst ins Elfmeterschiessen.
Der Favorit Portugal setzte sich dort durch und fordert nun im Viertelfinale am Freitag (21.00 Uhr) in Hamburg Frankreich mit Kylian Mbappé. Dass in 120 Minuten keine Tore gefallen waren, lag auch an Ronaldo. Der 39 Jahre alte portugiesische Kapitän scheiterte in der 105. Minute mit einem Foulelfmeter an Sloweniens Torwart Jan Oblak und vergoss danach auf dem Feld Tränen der Enttäuschung. «Das ist mir selten passiert, deshalb war ich wahnsinnig traurig und musste weinen. Jetzt bin ich aber sehr glücklich», berichtete Ronaldo nach dem Abpfiff.
Portugals Goalie wird zum Helden
Ronaldo wartet zwar weiter auf sein erstes Turniertor – dafür bewies er am Montagabend vor 46.576 Zuschauern in der Arena Frankfurt zumindest im Elfmeterschiessen die nötige Nervenstärke. Nachdem er verwandelt hatte, entschuldigte er sich mit einer Geste bei den Fans.
«Er hat uns gerettet», lobte Ronaldo seinen Schlussmann. Es war eine Erlösung – vor allem für den Superstar, der nach seinem Fehlversuch aus elf Metern in der Halbzeit der Verlängerung von seinen Teamkollegen getröstet werden musste. «Es gibt Momente, die man nicht erklären kann, wo die Leidenschaft einfach durchgeht», sagte er dazu.
Seine Bilanz bei seiner sechsten Europameisterschaft steht weiter bei 14 Toren. Dabei hätte Ronaldo die Partie im Alleingang entscheiden können. Kurz vor dem Ende der regulären Spielzeit war er bereits frei stehend mit einem Schuss an Oblak (89.) gescheitert. Ein Aus in der ersten K.o.-Runde wie es Italien und Belgien erlebten, blieb der Auswahl von Trainer Roberto Martinez dennoch erspart.
Ronaldo als Fixpunkt im Angriff
Alle Augen auf Ronaldo: Bei jedem Ballkontakt des ehemaligen Weltfussballers stieg der Lärmpegel auf den Rängen. So auch, als der Mittelstürmer in der 13. Minute knapp unter einer Flanke durchsprang. Ist es der letzte grosse Turnierauftritt des Saudi-Profis von Al-Nassr FC? Während seine Kollegen um ihn herum wirbelten und die Lücken suchten, hielt Ronaldo als Fixpunkt meist seine Position.
EM-Oldie Pepe (41) hielt derweil hinten den Laden zusammen, ging immer wieder energisch dazwischen und wagte so manchen Ausflug bis vor das gegnerische Tor. Die Slowenen taten sich zunächst schwer, in Strafraumnähe zu kommen. Das galt auch für Benjamin Sesko von RB Leipzig, mit 21 Jahren der Jüngste im Kader des Aussenseiters. Dabei hatte Trainer Matjaz Kek mehr Unterstützung für das Stürmertalent gefordert: «Wir müssen ihm helfen.»
Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit war die Auswahl des Landes mit nur zwei Millionen Einwohnern in die K.o.-Phase einer EM-Endrunde eingezogen. Der 2:0-Sieg gegen Portugal beim Testspiel im März hatte der Mannschaft vor dem Anpfiff zusätzlich Mut gemacht. Die Portugiesen aber liessen mit ihrer klugen Raumaufteilung ihren Gegner viel laufen.
Ronaldo in vielversprechender Freistoss-Pose
Immer wieder suchte der Favorit mit Flanken Ronaldo, der nach einer guten halben Stunde auch mal die Stirn an den Ball brachte. Oblak hatte jedoch keine Mühe. Dann aber zelebrierte der Weltstar in breitbeiniger Pose seinen ersten Freistoss – und jagte einen satten Schuss nur Zentimeter über die Latte.
Auf der Gegenseite trat kurz vor der Pause erstmals Sesko richtig in Erscheinung, sein Ball aus 20 Metern landete aber genau in den Armen von Schlussmann Diogo Costa. Mit einem Aussenpfostenschuss von Portugals Joao Palhinha gingen beide Teams in die Halbzeit.
Überlegene Portugiesen nicht zwingend genug
Fünf Tage nach der 0:2-Niederlage gegen Georgien im letzten Gruppenspiel zeigte sich Ronaldos Mannschaft weiter dominant und hellwach, fand aber einfach keine Lücke. Bei einem weiteren Freistoss des Rekord-EM-Torschützen wehrte Oblak den Ball mit beiden Fäusten ab. Vielbeinig verteidigten der Keeper von Atlético Madrid und seine Vorderleute ihren Strafraum.
Nach einer Stunde entwischte Sesko bei einem Konter Routinier Pepe, traf aber das Tor nicht. In der 115. Minute scheiterte Sesko frei an Diogo Costa. So ging es ins Elfmeterschiessen, wo es für die Portugiesen trotz des zwischenzeitlichen Ronaldo-Dramas ein spätes Happy End gab.(dpa/sda/pin)