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Er schnappte sich über 40 Fahrräder – jetzt kassiert der Velodieb einen Landesverweis

Ein 33-jähriger Portugiese hat Ende 2020 im grossen Stil Fahrräder gestohlen und versucht sie zu verkaufen. Nun musste sich der Mann vor Gericht verantworten.

Drei Versionen einer Geschichte wurden vor dem Bezirksgericht Lenzburg präsentiert. In der Anklageschrift wird dem Beschuldigten Diego (Name geändert) gewerbsmässiger Diebstahl von Fahrrädern bei diversen Bahnhöfen um Lenzburg und Wohlen sowie Hehlerei vorgeworfen.

Laut seiner Verteidigung fand dies keinesfalls in einem solch grossen Rahmen statt und soll ein altruistisches Motiv gehabt haben. Denn Diegos Einkommen zum Tatzeitpunkt Ende 2020 reichte zwar für seine Lebenshaltungskosten in der Schweiz. Aber nicht für die Medikamente seiner Mutter in Portugal. In der Anklageschrift wurden hingegen die Finanzierung der Miete und Schuldentilgung bei der Ex-Freundin als Grund für den illegalen Nebenerwerb genannt.

Die dritte Variante der Geschichte lieferte der Beschuldigte selber, er konnte sich vor Gericht nämlich an keinen Velo-Diebstahl erinnern. Die Staatsanwaltschaft Lenzburg beantragt eine bedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten mit zweijähriger Probezeit, eine Busse von 3000 Franken und einen Landesverweis für fünf Jahre.

«Das war mein grösster Fehler»

Diego kam vor gut 15 Jahren aus Portugal in die Schweiz: « Ich habe ein besseres Leben gesucht.» Eine Zukunft in einem anderen Land könne er sich nicht vorstellen, erklärt der Beschuldigte, als Gerichtspräsident Daniel Aeschbach ihn auf den geforderten Landesverweis anspricht. «Ich liebe es, hier zu leben und zu arbeiten.»

Diego nennt die Taten eine Dummheit, die ihm sehr leidtue. «Das war mein grösster Fehler. Ich habe daraus gelernt und mein Leben gerichtet», erklärt er. Gleichzeitig sagt der Beschuldigte vor Gericht aber, keine Velos gestohlen zu haben.

Auch Aeschbachs Frage, ob Diego sich strafbar gemacht habe, verneint dieser. Ein Gegensatz zu den Polizeiprotokollen, wo der 33-Jährige die Diebstähle gestanden hat. Der Beschuldigte schiebt zwischendurch ein: «Entschuldigung, wenn ich nicht alles Schweizerdeutsch verstehe.» Diese gemurmelte Bemerkung scheint beim Gericht nicht anzukommen. Es wirkt so, als würde der Beschuldigte die Fragen und rechtlichen Begriffe nicht verstehen. So muss Aeschbach Diego drei mal erklären, was eine bedingte Strafe mit Probezeit bedeutet.

Richter-Tränen ob Altruismus

Die Verteidigung führt im Plädoyer aus, dass «zugegebenermassen einiges zusammengekommen sei, auch wenn es sich in Anführungszeichen nur um Velos handle». Die Staatsanwaltschaft hat eine Liste von 49 Fahrrädern zusammengestellt, die Diego gestohlen haben soll. Jedoch sind dort einige doppelt aufgeführt, wie später auch das Gericht bestätigt.

Aufgrund des geringen Umsatzes von 1500 bis 2500 Franken, der Diego mit den Velos gemacht habe, könne man nicht von gewerbsmässigen Taten sprechen, führt die Verteidigung aus. Deshalb beantragt die Rechtsvertretung, auch mit Hinweis auf das vernachlässigte Beschleunigungsgebot, lediglich eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen à 100 Franken.

Das Gericht folgte diesem Antrag nicht, sondern verurteilte Diego zu einer bedingten Haftstrafe von 10 Monaten mit dreijähriger Probezeit, einer Busse von 3000 Franken und einem Landesverweis von fünf Jahren. «Eine Gewerbsmässigkeit ist auch im Nebenerwerb möglich», erklärte Aeschbach. Er fügte mit einem leicht spöttischen Unterton an, dass ihm fast die Tränen gekommen seien, als die Verteidigung Altruismus als Grund für die Taten anführte.

Der Beitrag von Tele M1: