Albert Rösti ist der fleissigste Redner am 1. August – aber den Weltrekord von Ueli Maurer knackt er nicht
Liebi Froue ond Manne …
Wir sind heute und hier zusammengekommen, um den Geburtstag der Schweiz zu feiern.
Jetzt reden sie wieder, die Bundesräte und Bundesrätinnen. Landauf, landab finden zahlreiche 1.-August-Feiern mit magistraler Unterstützung statt. Und sogar im Ausland: Karin Keller-Sutter hält ihre Ansprache, pardon: Speech, in New York, Ignazio Cassis seine Festrede, pardon: discours, in Paris. Immerhin dort im «House of Switzerland». La suisse existe, ganz offensichtlich.
Und in der Suisse selbst? Da tingelt vor allem Umwelt-, Verkehrs-, Energie-, Wolf- und Kommunikationsminister Albert Rösti quer durchs Land. Gleich sieben 1.-August-Reden hält der Berner SVPler. Zwei davon allerdings bereits am 31. Juli (in Kesswil und Wilderswil).
Rösti spricht entlang der A1
Auch das ist ein Trend, der in den letzten Jahren zunehmend eingerissen hat, wie das – deutlich nervigere – Vorverpulvern des Feuerwerks schon am Vorabend des Nationalfeiertags. Eigentlich, daran seien all die Raketenfetischisten erinnert, bringt zu frühes Gratulieren Unglück. Und das kann die Schweiz sicher nicht brauchen.
Dafür braucht sie offensichtlich viel Rösti. In Wimmis, Rothrist, Schöftland, Rümlang und Ossingen spricht er am Feiertag zu den «lieben Froue ond Manne». Das ist eine Schweiz-Reise ganz im Sinne des einstigen Autolobbyisten: viel A1-Asphalt. Aber auch genial in der Planung. Es sind 214 Kilometer von Mittelsüdwesten nach Nordosten in einer logischen Linie. Keine unnötigen Schlenker.
Rösti habe vor, am 1. August diese Strecke mit dem Auto zu absolvieren, hiess es gegenüber Keystone-SDA aus seinem Departement. Gemäss Routenplaner ist mit einer reinen Fahrzeit von 2 Stunden und 34 Minuten zu rechnen. Dazu kommen noch die Festrede (30 Minuten mal 5 ergibt 2 Stunden und 30 Minuten), das Absingen des Schweizerpsalms (2 Minuten mal 5 ergibt 10 Minuten) und jeweils kurzer Weisswein-Smalltalk (20 Minuten mal 5 ergibt 1 Stunde und 40 Minuten). Macht zusammengezählt rund 7 Stunden. Zmittag und Transfer von und zum Wohnort nicht eingerechnet.
Schneller ging’s mit dem Helikopter. So hat Ueli Maurer den 1.-August-Reden-Weltrekord aufgestellt. 2013 beglückte er ganze 9 Gemeinden mit seiner Rede. Von Brigels bis Biel schleuderte er im Festzelt den «lieben Mitbürgerinnen und Mitbürgern» ein «es lebe die Schweiz!» entgegen und entschwand bald darauf im Super Puma zum nächsten Festzelt.
Freiheit, Hilfsbereitschaft und Einigkeit
Es war keine sonderlich originelle Rede, wichtiger war die schiere Quantität. Oder um in der Sprache des 1.-August-Feuerwerks zu bleiben: Das war kein Goldregen, dafür zündete Maurer ein paar der alten Heuler («freiheitliche Ordnung», «die Werte der Schweiz sind nicht verhandelbar», «Sonderfall Freiheit und Sonderfall Wohlstand»).
Das dürfte auch in diesem Jahr nicht anders sein: Welt- oder zumindest schweizbewegende Ansprachen zum Nationalfeiertag von Bundesräten kommen uns keine in den Sinn. Eigentlich immer wird die Einigkeit beschworen («ein einig Volk von Brüdern»), an die Hilfsbereitschaft appelliert («in keiner Not uns trennen und Gefahr») und die Freiheit hochgehalten («Wir wollen frei sein, wie die Väter waren»).
Zumindest eines dieser Themen dürften auch Viola Amherd (Möriken-Wildegg), Guy Parmelin (Luzern, Stein am Rhein, Jussy), Cassis (neben Paris noch Guarda und Sessa), Elisabeth Baume-Schneider (Rorschach, Saint-Pierre-de-Clages) und Beat Jans (Schüpfen, Biberist) in ihre Rede verweben.
Eigentlich gilt sowieso, was Willi Ritschard in seiner Ansprache als Bundespräsident 1978 gesagt hat: «Der 1. August ist für uns alle mit Bedeutung beladen. Wir hätten über vieles nachzudenken. Aber richtig ist auch, dass wir aus diesem Tag einen festlichen Tag machen. Dazu gehört die Freude, die uns zusammenführt und die uns zeigt, dass wir zusammengehören.»
Oder anders formuliert: Der 1. August ist nicht der Tag für die grossen Reden.
Aber halten muss sie trotzdem einer. Sonst macht’s sicher der Rösti. Oder der Maurer.