Schützin Chiara Leone sorgt für erste Schweizer Olympia-Goldmedaille – Triumph in der Königsdisziplin
Nicht in Paris, sondern drei Autostunden entfernt in Châteauroux feiert die Schweiz die erste Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2024. Die Aargauerin Chiara Leone gewinnt im Dreistellungsmatch über 50 Meter mit dem Gewehr und beerbt damit Nina Christen, die vor drei Jahren in Tokio in der Königsdisziplin der Schützinnen triumphiert hatte.
Vor dem letzten Schuss war Leone mit 0,7 Punkten Vorsprung in Führung gelegen. Damit war klar, dass ein Wert von 10,3 Zählern (10,9 sind das Maximum) zur Goldmedaille reichen würde. Die Schweizerin schoss vor der Amerikanerin Sagen Maddalena – und setzte ihren Schuss mit einer 10,8 praktisch ins Zentrum. Es war ihr bester Schuss des Tages.
Die Entscheidung zum Nachschauen (Video: SRF)
Leone zeigte einen überragenden Wettkampf. Zwar gelang ihr sowohl kniend, liegend als auch stehend der erste Schuss nicht optimal. Doch danach nahm Leone Fahrt auf. Nach der Kniend-Position (15 Schüsse) lag sie punktgleich mit der Österreicherin Nadine Ungerank in Führung. Nach den 15 Liegend-Schüssen war sie Dritte, 0,9 Punkte hinter Gold.
Nach 10 Schüssen im stehenden Anschlag lag Leone im zweiten Rang – 1,4 Punkte hinter der Chinesin Qiongyue Zhang. In der Ausscheidungsrunde fällt die jeweils Letztplatzierte nach jedem Schuss aus dem Wettkampf. Mit einem Total von 464,4 Punkten stellte Leone nebenbei noch einen neuen olympischen Rekord auf, den zuvor Nina Christen inne gehabt hatte.
Dabei hatte sich Leone bei den Probeschüssen im Stehen nicht gut gefühlt. «Am Schluss war ich sehr nervös. Es ist unglaublich. Wenn mir das jemand vor drei Jahren gesagt hätte, hätte ich das nicht für möglich gehalten. Es ist ein riesiger Traum, der in Erfüllung geht. Ich kann gar nicht beschreiben, was in mir losgeht», sagte sie danach dem Schweizer Fernsehen.
Qualifikation auf den letzten Drücker
Mit dem Schiessen begonnen hatte Leone erst als 9-Jährige, am 1.-August-Schiessen der Fricker Schützen. Mit 14 nahm sie erstmals an Schweizer Meisterschaften teil, zwei Jahre später kam sie ins Nationalkader. 2023 wurde sie zweifache Weltmeisterin. Obwohl sie den Lebensmittelpunkt vor einigen Jahren nach Biel und Magglingen verlegt hat, nimmt sie noch immer an Mannschaftsschiessen mit den Sportschützen Frick teil.
Ihre Disziplinen sind das Luftgewehr (10 Meter) und das Kleinkaliber (50 Meter). «Meine erste Liebe war das Luftgewehr. Heute bereiten mir beide Disziplinen viel Freude», sagt die 26-Jährige, die in Aarau die Sportkanti machte, im Winter 2019/20 die Spitzensport-RS in Magglingen absolvierte und danach ein Praktikum auf einem Bauernhof absolvierte.
Seit 2020 wohnt sie mit anderen Schweizer Schützinnen in einer WG im Seeland – nur 200 Meter von der Schiessanlage entfernt. Für eine Weile arbeitete sie neben dem Schiessen noch in einem 50-Prozent-Pensum beim Schweizer Schiesssportverband.
Für die Olympischen Spiele in Paris hatte sich Leone erst auf den letzten Drücker qualifiziert. Ende Mai gewann sie im kroatischen Osijek in der Königsdisziplin EM-Gold.Dabei hatte sie ihre Schiessausrüstung zu Hause vergessen.Ihre Eltern nahmen dann eine 14-stündige Autofahrt auf sich, um ihr die Tasche nachzuliefern. Zum Glück, muss man sagen. Sonst wäre Leone gar nicht in Paris gewesen.
Dazu hatte Chiara Leone in Osijek mit Emely Jäggi und Nina Christen mit Europarekord auch noch im Team die Goldmedaille gewonnen.
Reise nach Südamerika
Ein Zufall sei das nicht gewesen, sagte Nationaltrainer Daniel Burger damals: «Es beweist, dass die jahrelange, intensive Förderung, unsere Strukturen sowie unser System funktionieren.» Tatsächlich ist es bereits die 25. Schweizer Olympiamedaille im Schiessen, gleich viele wie im Radsport. Nur im Kunstturnen (49) gab es noch häufiger Edelmetall. Am Sonntag hatte Audrey Gogniat (21) mit Bronze mit dem Luftgewehr über 10 Meter für die erste Schweizer Medaille in Paris gesorgt – oder eben in Châteauroux.
Am Samstag wird Leone nach Biel reisen, aber für die Schlussfeier am Sonntag, 11. August, nach Paris zurückkehren. Als bisher einzige Schweizer Olympiasiegerin in Paris ist sie eine Kandidatin dafür, die Schweizer Fahne zu tragen. Und Anfang September geht sie dann auf Reisen. Das Ziel? Südamerika.