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Von Labyrinthen in Maisfeldern: Wie Landwirtschaft und Bevölkerung friedlich koexistieren können

Landwirtschaft hier, Naherholung da. Wo immer mehr Menschen in der Natur nach Erholung suchen, bangen Landwirte um ihre Ernten. Die steigenden Besucherzahlen führen zu Spannungen und Konflikten. Im südlichen Teil von Aarburg versucht die Stadt zu vermitteln.

Der Mais entlang der Wigger ist gut gewachsen. Und bereits liegen die ersten herausgebrochenen Maiskolben auf dem Boden. «Obwohl sie noch nicht einmal reif sind», hält Jörg Barmettler nüchtern fest. Der 63-jährige Aarburger Landwirt bewirtschaftet die Flächen in den ehemaligen Wässermatten in der Brüelmatte – dort, wo die Wigger 2015 zwischen der Bernstrasse und der SBB-Brücke auf einer Länge von 850 Metern renaturiert wurde. In einem Gebiet, das vom Kanton nach der abgeschlossenen Renaturierung als Naherholungszone eingestuft wurde. «Wobei die betroffenen Landeigentümer und Landwirte diesbezüglich vom Kanton nie kontaktiert wurden», wie Barmettler unmissverständlich festhält. Seither ist es für Barmettler zunehmend schwieriger geworden, auf seinen Feldern so produzieren zu können, wie er es möchte. Menschen, die ihre Hunde in den Feldern versäubern lassen. Eltern, die ihre Kinder in den Maisfeldern Labyrinthe bauen lassen. Spaziergänger, die Gras niedertrampeln und Trampelpfade anlegen. Und so weiter, und so fort.

Aarburg ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen. Rund 6200 Einwohnerinnen und Einwohner wohnten um die Jahrtausendwende im Aarestädtchen, fast 9000 waren es Ende 2023. Neue Quartiere sind entstanden, das noch verfügbare Bauland wurde und wird weiterhin überbaut. Der Druck auf die Natur hat entsprechend zugenommen. Immer mehr Menschen und ihre tierischen Begleiter teilen sich immer kleiner werdende freie Flächen.

Haben sich an einen Tisch gesetzt (v.l.): Jörg Barmettler, Hans-Ulrich Schär und Klaus Müller.

Eine der letzten Naherholungszonen

Dass das Gebiet zwischen Bernstrasse und SBB-Brücke heute noch nicht überbaut ist, ist unter anderem dem Quartierverein Aarburg-Süd (QVAS) und seinen engagierten Mitgliedern Susanne Richner und Klaus Müller zu verdanken. Denn um die Jahrtausendwende war an dieser Lage ein nationales Einkaufszentrum, das sogenannte Wigger Village, geplant. Ein Ladendorf mit rund 60 Läden, in dem letztjährige Modekollektionen sowie Überschussbestände bekannter Designer angeboten werden sollten.

Das Projekt stiess in Aarburg auf heftigen Widerstand und wurde später im bündnerischen Landquart realisiert.

«Das Gebiet ist eine der wenigen Naherholungszonen für Einwohnerinnen und Einwohner von Aarburg-Süd geblieben», betont denn auch Klaus Müller. So wie damals gegen das Wigger Village setzt sich der 84-Jährige auch heute noch für die Anliegen des QVAS ein. Als Projektleiter Verkehr sind etwa der Schleichverkehr an der Alten Zofingerstrasse oder die leidigen Wartezeiten an der berühmt-berüchtigten, fast immer geschlossenen Barriere an der gleichen Strasse sein Thema. Ebenso die Wege, welche durch die ehemaligen Wässermatten führen. Ein konfliktreiches Thema – bei dem Anwohnerschaft und Landwirte wohl nie deckungsgleiche Ansichten finden werden. Hier der produzierende Landwirt, da die Anwohnerschaft, welche das Gebiet als Naherholungszone nutzt.

Stadt versucht zu vermitteln

Dass die Belastung auf das Land in den ehemaligen Wässermatten immer grösser wird, ist auch im Aarburger Stadthaus vermerkt worden. Stadtpräsident Hans-Ulrich Schär, dem als «Buurebueb» die Thematik mehr als nur geläufig ist, hat persönlich die Initiative ergriffen und die beiden Parteien an einen Tisch gebeten. «Wir müssen eine vernünftige Lösung finden und gleichzeitig versuchen, an den gesunden Menschenverstand zu appellieren», betont Schär. Die Landwirte könnten ja nicht verhindern, dass die Leute durch ihr Gebiet laufen würden, ist seine pragmatische Meinung. Darum gehe es ihm ja auch gar nicht, entgegnete Jörg Barmettler. «Solange die Leute das Land auf den seit je bestehenden Wegen wie Wuhrweg und Brühlbachweg begehen, ist das für mich auch kein Problem.» Problematisch werde es erst, wenn sie die Wege verlassen oder – wie geschehen – sogar neue Trampelpfade quer durch die Felder anlegen würden. «Was würden wohl andere Leute sagen, wenn ich quer durch ihre Gärten marschieren würde?», fragt der Aarburger Landwirt in die Runde. Ebenso schwierig werde es, wenn Forderungen an ihn gestellt würden, die Wege zu unterhalten. «Es kann auf keinen Fall darum gehen, auf Privatgrund parkähnliche Wege anzulegen, damit die Leute auch bei Regenwetter trockenen Fusses Richtung Wigger gelangen können», hält denn auch Hans-Ulrich Schär unterstützend fest. «Der Quartierverein Aarburg-Süd hat das auch nicht in dieser Form gefordert», erwidert Klaus Müller. Der QVAS möchte aber schon, dass die Wege minimal unterhalten würden. Das sei nicht Aufgabe der Stadt, hält Schär klar fest. Er mähe gelegentlich – und vor allem dann, wenn er Zeit habe, meint Barmettler. 

An gesunden Menschenverstand appellieren

Immerhin: Die Parteien haben sich darauf verständigt, welche Wege von Spaziergängern in Zukunft begangen werden sollen und welche nicht. Was auch nicht ganz unproblematisch war, weil die Landestopographie dort, wo Trampelpfade angelegt wurden, einfach Wege in die Karten aufgenommen hat. «Das ist natürlich Quatsch, das ist Privatland», hält auch Klaus Müller fest.

So setzen denn die Parteien auf eine umfassende Kommunikation über die Presse. Anschliessend will auch der Quartierverein Aarburg-Süd Mitglieder und Anwohner darüber informieren, was sein darf und was nicht mehr sein soll. Hinweistafeln sollen dort angebracht werden, wo die bisherigen Trampelpfade nicht mehr begangen werden sollen. Zudem soll auch nochmals an Hundehalterinnen und -halter appelliert werden, die Leinenpflicht zu befolgen. Er hoffe, dass die gemeinsam getroffenen Massnahmen für die letzten drei noch produzierenden Landwirte in Aarburg eine gewisse Entlastung bringen würden, meint der Aarburger Stadtpräsident. «Es braucht mehr Rücksichtnahme», hält er fest, aber wenn man keine Verbote aussprechen wolle, könne man nicht mehr als an den gesunden Menschenverstand der erholungssuchenden Leute appellieren.