Frauen veröffentlichen Sprachnachrichten ihrer Ex-Freunde im Netz – Polizei warnt
Seit der #MeToo-Bewegung ist die Öffentlichkeit sensibilisierter auf Gewalt gegen Frauen. Trotzdem geschehen hinter verschlossenen Türen immer wieder(und immer mehr)Gewalttaten, die niemand mitbekommt. Das zeigt auch ein neuer Trend auf TikTok: Junge Frauen veröffentlichen die Sprachnachrichten ihrer Ex-Partner, die voll mit Drohungen und Beschimpfungen sind. Dabei begehen jedoch nicht nur die Männer eine Straftat.
«Wenn wir uns sehen, wird es unsere letzte Begegnung sein, ich schwör dir bei Gott, ich drück dir die neun Millimeter an den Kopf, du F*tze» – diese Nachricht hat Emily* auf TikTok veröffentlicht. Ihr Ex-Freund hat ihr diese Memo nach ihrer Trennung geschickt. Unter dem Video häufen sich schockierte Kommentare von anderen Usern.
Doch Emily ist längst nicht die Einzige, die solche Nachrichten bekommt. Wenn man auf der Plattform nach «Audios vom Ex» sucht, ploppen Hunderte von genau solchen Videos auf.
Gewaltandrohungen und Misogynie
Fast alle der veröffentlichten Videos sind von Frauen, die die dunkle Seite ihres Ex-Freundes aufdecken. Beim Anhören der Aufnahmen ist klar, dass sich keiner der Ex-Partner bewusst war, dass die Worte jemand anders hören könnte als die Ex-Freundin – schon gar nicht die Öffentlichkeit. So strotzen die Sprachnachrichten vor Misogynie und Gewaltandrohungen. Plötzlich wirkt dieDunkelziffer, von der man bei häuslicher Gewalt oft spricht, sehr real.
In der Schweiz waren 2023 11’479 Personen von häuslicher Gewalt betroffen. Die Zahlen zeigen deutlich, dass besonders Frauen Opfer von häuslicher Gewalt sind. So waren es 6993 Frauen (61 Prozent) und 2750 Männer (24 Prozent). Die restlichen Prozente betreffen Minderjährige.
TikTok sei jedoch nicht der richtige Ort, um auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Das meint Kenneth Jones, Mediensprecher der Kantonspolizei Zürich:
«In der Schweiz ist es grundsätzlich nicht erlaubt, private Sprachnachrichten ohne Zustimmung aller Beteiligten online zu veröffentlichen.»
So verletze die Veröffentlichung solcher Nachrichten das Recht auf Privatsphäre und das Datenschutzgesetz. Fabian Teichmann der Anwaltskanzlei Teichmann International führt dabei aus: «Es muss unterschieden werden, ob die Person an der Stimme erkennt werden kann. Wenn nicht, würde grundsätzlich eine Persönlichkeitsverletzung an diesem Umstand scheitern. Das Gleiche gilt für Screenshots von Chat-Verläufen.»
Viele der Sprachnachrichten sind aber tatsächlich nicht verzerrt oder anders verändert und die Personen an der Stimme klar erkennbar. Die Männer könnten hier also tatsächlich Strafanzeige erstatten.
Das soll Frauen aber nicht davon abhalten, Drohungen und andere Gewalt zu melden. Kenneth Jones rät bei Drohungen immer die Behörden aufzusuchen. Denn, wie Fabian Teichmann meint: «Eine strafrechtlich relevante Drohung muss nicht direkt mündlich erfolgen. Sollte der Empfänger oder ein Dritter durch eine Drohung über Sprachnachricht in Schrecken oder Angst versetzt werden, so kann Strafanzeige erhoben werden.»
Anlaufstellen für Opfer von häuslicher Gewalt
Unter häuslicher Gewalt versteht man körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt innerhalb einer Familie oder in einer aktuellen oder aufgelösten Paarbeziehung.
Betroffene können sich bei den kantonalen Opferhilfestellen melden, die auf der Website der Opferhilfe Schweiz zu finden sind. Die Beratung ist kostenlos, vertraulich und anonym. Sollten sich Frauen zu Hause nicht mehr sicher fühlen, finden sie in Frauenhäusern eine sichere Unterkunft. Weitere Unterstützung bietet das Frauen-Nottelefon.
Betroffene Männer können sich an die Anlaufstelle Zwüschehalt oder an das Männerbüro Zürich wenden.
Bei Straftaten im Ausland können Schweizer Staatsangehörige die Helpline des EDA kontaktieren: +41 800 24 7 365.