Albert Rösti im Fake-News-Zug: Der Bundesrat eröffnet einen Schulwagen der SBB – und verteidigt die Senkung der SRG-Gelder
Albert Rösti steht in der hintersten Reihe und richtet sich auf. Vor ihm gruppieren sich Schulkinder, elf, vielleicht zwölf Jahre alt, und lachen in die Kamera. «Ein Bild ist auf Whatsapp, Instagram oder Snapchat schnell geteilt und weitergeschickt», sagt der Moderator, der die Klasse durch den Zugwagen führt. Das Klassenfoto mit dem Bundesrat ploppt an einer Wand auf Bildschirmen auf. Und über allen Bildern steht eine markige Schlagzeile: «Schülergang terrorisiert ganzes Dorf», «Cybermobbing – eine Gruppe jugendlicher Täter wird verhaftet.»
Ein Raum weiter, zehn Minuten später. Das Bild erscheint auf einem weiteren Bildschirm. Überschrift: «So haben Fake News keine Chance – Gen Z und Gen Alpha machen sich fit.» Die Klasse lacht, der Bundesrat ebenso und die Lehrerin der Klasse flüstert: «Da haben sich auch noch einige von der Generation Y und X aufs Bild geschlichen.»
Eine halbe Stunde zuvor. Journalistinnen zücken ihre Stifte, Kameramänner schwenken ihre Objektive. Der Bundesrat und seine Entourage erreichen die Rampe am Rande des Bahnhofs Brugg, es ist 9.40 Uhr, einige Minuten vor dem Start des Pressetermins der SBB, der SRG, des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer. Und eben des Medienministers.
Medienwirksam stellen sie einen neuen Wagen des sogenannten rollenden Klassenzimmers vor. Seit zehn Jahren bieten die SBB mit ihrem Erlebniszug einen interaktiven Lernort für Schulen an. Im neuen Wagen sollen Schulkinder den Umgang mit Fake News lernen. Darunter versteht man falsche Nachrichten, manipulierte Videos oder gefälschte Bilder.
Rösti schreitet nach vorne und sagt den Satz, der 1:1 in der später verschickten Medienmitteilung steht: «Dieser Zug ist wichtig, denn er fährt nicht nur durch die Schweiz, er fährt auch in die Zukunft.» Ein kritischer Umgang mit Medien werde zunehmend wichtiger, insbesondere für Kinder und Jugendliche. «Wir, die mit herkömmlichen Medien aufgewachsen sind, konnten in der Regel auf ihren Wahrheitsgehalt vertrauen. Leider ist das auf Instagram, Youtube oder Tiktok nicht immer der Fall», sagt Rösti.
Andreas Glarners Fake-Video
So soll der Zug die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen fördern, um Fake von Fakten unterscheiden zu können. Egal ob Ukraine-Krieg, US-Wahlkampf oder Gaza-Krieg – Fake News, gefälschte Videos oder manipulierte Bilder sind eine politische Waffe. So zuletzt in Grossbritannien: Influencer heizten die Aufstände nach einem Messerangriff auf Mädchen in einer Tanzschule mit rassistischen Falschmeldungen auf.
Auch in der Schweizer Politik finden Fakes zunehmend Einzug. Im Wahlkampf im vergangenen Herbst hatte derAargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner ein Deepfake-Video der SP-Nationalrätin Sibel Arslan erstellen lassen. Und deren Parteikollegin Priska Seiler-Graf wurde kürzlich Opfer einer russischen Propagandaseite.
Insbesondere in den sozialen Medien verbreiten sich Falschmeldungen rasant. Im Mai postete der beliebte Instagram-Kanal «Szene isch Züri» ein Video, das einen Mord am Zürcher Hauptbahnhof zeigen soll. Eine Falschmeldung. Der Kanal erreicht 303’000 Follower, mehr als SRF News. «Müsste die SRG in den sozialen Medien nicht präsenter sein, um den Jugendlichen ein Gegenkonzept zu präsentieren?», fragt eine Journalistin den Medienminister. Die Frage zielt auch auf die SRG-Halbierungsinitiative. Mit dieser will die SVP die jährlichen Fernsehgebühren von 335 Franken auf 200 Franken kürzen.
«Es ist unbestritten, dass die SRG online präsent sein muss», sagt Rösti. Er antwortet mit der Gegenposition des Bundesrates. Um der Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen, will die Landesregierung die Gebühren auf 300 Franken senken. Die neue Konzession verlange, dass die SRG im Internet stärker auf audiovisuelle Inhalte setzen und ihr Textangebot zurückfahre, sagt Rösti.
Bedroht die SRG-Halbierungsinitiative den Kampf gegen Fake News?
Noch als Nationalrat weibelte der heutige Bundesrat für die Halbierungsinitiative. Nun muss er als Medienminister die SRG verteidigen. Inwiefern bedroht die Initiative den Kampf gegen Fake News, wenn etablierte Medien wie die SRG geschwächt werden? Mit der Lösung des Bundesrats könne Fake News auch in Zukunft schlagkräftig begegnet werden, sagt Rösti. «Mit der Halbierungsinitiative würde das schwierig werden.»
Im Kampf gegen Fake News will der Medienminister eine Meldeplattform für Falschmeldungen und Hasskommentare schaffen.Einst wurde er selber Opfer von Fake News. Ein falsches Profil unter seinem Namen verkündete auf dem damaligen Twitter, heute X, den Tod von alt Bundesrat Adolf Ogi. Und vor den Medien erzählt er von einem Deepfake-Video mit seinem Gesicht. «Wer mich kennt, weiss, dass das, was ich darin erzähle, falsch war. Doch das muss man erkennen können.»
Im Fake-News-Wagen üben die Kinder mit dem Medienminister genau das. Vor ihnen sind rote und grüne Knöpfe, auf dem Bildschirm erscheinen verschiedene Meldungen. Fake oder Fakt?