Der Giftschrank der Hobbygärtner wird kleiner: Mehr als jedes dritte Pestizid fällt weg – diese Produkte sind betroffen
Die Mittel tragen Namen wie «Insect-Stop» oder «Schädlingsfrei», kommen in handlichen Sprayflaschen daher und versprechen rasche Hilfe gegen Pilzbefall, Läuse und andere Schädlinge im Garten. Nur: Harmlos sind längst nicht alle Pflanzenschutzmittel, die Hobbygärtner kaufen können. Auf manchen stehen Warnhinweise wie «bienengefährlich» zum Beispiel oder «giftig für Wasserorganismen, mit langfristiger Wirkung».
Der Bund schränkt die Produktepalette für Hobbygärtner nun aber empfindlich ein. Er hat die Kriterien für die Zulassung der Mittel für sogenannte nicht berufliche Anwender bereits per 2023 verschärft. Seither lief die Überprüfung der Produkte. Der Bund schaute also: Welche erfüllen die strengeren Kriterien, welche nicht?
Inzwischen ist klar, auf wie viele Mittel Hobbygärtner und -gärtnerinnen künftig verzichten müssen. Momentan gibt es für sie 450 zugelassene Pflanzenschutzmittel. «Ungefähr 40 Prozent davon dürften nach Abschluss der Überprüfung nicht mehr für die nicht berufliche Verwendung zugelassen sein»,schreibt der Bundesrat in einer Antwort auf eine Interpellation der Grünen-Nationalrätin Aline Trede.
Händler dürfen ihre Bestände noch verkaufen
Etwa 180 Produkte fallen also künftig weg – welche, legt der Bund noch nicht offen. Es lässt sich aber aus den Vorgaben der Verordnung ableiten. Gemäss dieser sind unter anderem Produkte betroffen, die akut toxisch, schwer augenschädigend, chronisch gewässergefährdend oder gefährlich für Bienen sind.
Bis jetzt hat der Bund auch noch keine Bewilligungen entzogen. Damit keine Firma benachteiligt wird, soll das auf einen Schlag geschehen, und zwar spätestens bis Ende 2024, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV erklärt. Gleichzeitig wird die Liste der betroffenen Produkte publiziert.
Die Händler dürfen ihre Lagerbestände danach noch während eines Jahres verkaufen. Während weiterer zwölf Monate dürfen die Hobbygärtner die Mittel einsetzen. Erst für die Gartensaison 2027 ist also definitiv Schluss. Wobei nicht ausgeschlossen ist, dass Unternehmen juristisch gegen den Entscheid vorgehen.
Jäten statt spritzen ist angesagt
Dass die Hobbygärtner ins Visier geraten, ist kein Zufall: Gemäss früheren Schätzungen bringen sie immerhin 10 Prozent der verkauften Pflanzenschutzmittel aus. Der Bund will mit der Verschärfung der Kriterien die Gesundheit der Anwender sowie die Umwelt schützen.
Die Branche hatte sich gegen die Verschärfung gewehrt. Der Verband Scienceindustries kritisierte in seiner Vernehmlassungsantwort, den Hobbygärtnern werde «jeder gewissenhafte Gebrauch» von Pflanzenschutzmitteln abgesprochen. Von einer «nicht zumutbaren Bevormundung» war die Rede.
Die Reduktion um 40 Prozent sei signifikant, erklärt Jörg Beck, Leiter Agrar und Ernährung bei Scienceindustries. Die Hobbygärtner hätten nur noch ein kleines Spektrum an Wirkstoffen zur Verfügung zum Schutz von Gemüse, Obst und Beeren.
Um diverse Unkräuter zum Beispiel auf Rasenflächen zu bekämpfen, werde es künftig keine Mittel mehr geben. Essig- und Pelargonsäuren blieben zwar erlaubt, doch diese schädigten gleichzeitig den Rasen.n «Es ist zu erwarten, dass nicht berufliche Anwender verstärkt auf Unterstützung durch Berufsgärtner angewiesen sein werden, insbesondere wenn wirksame Produkte nicht mehr zugelassen sind», prognostiziert Beck.
Die Branche betont, dass Pflanzenschutzmittel, die unannehmbare Nebenwirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt haben, in der Schweiz gemäss gesetzlicher Vorgabe nicht zugelassen sind. Und: Die Hersteller arbeiteten seit Jahren daran, dass die Produkte für Hobbygärtner so einfach und sicher wie möglich in der Anwendung und so umweltverträglich wie möglich seien.
Die Profis haben weiter Zugang
Professionelle Gärtnerinnen und Gärtner dürfen die Mittel, die Hobbygärtnern untersagt werden, weiterhin benutzen. Ist das gerechtfertigt? Ja, findet der Unternehmerverband der Gärtner Schweiz, JardinSuisse.
Sprecher Thomas Pfyffer verweist darauf, dass professionelle Anwender von Pflanzenschutzmitteln eine Bewilligung haben. Sie könnten dank ihrer Fachkenntnisse das richtige Mittel gezielt auswählen, korrekt dosieren – und sie tragen Schutzausrüstung.
Mit den erforderlichen Fachkenntnissen seien die Risiken für Mensch und Umwelt minimiert, argumentiert er. «Ein Vergleich: Obwohl man mit einem Führerschein Fahrzeuge steuern darf, benötigt jedermann eine erweiterte Fahrbewilligung für Personenbusse, um der erhöhten Verantwortung gerecht zu werden.»