Erster Patient erhält mRNA-Impfung gegen Lungenkrebs
Was ist das für ein Impfstoff?
Der Lungenkrebsimpfstoff, der erstmals einem Patienten des University College London Hospitals (UCLH) verabreicht wurde, basiert auf der mRNA-Technologie. Der Impfstoff wird vom deutschen Biotechnologieunternehmen BioNTech hergestellt. Das Spezielle dabei ist, dass der Impfstoff auf die Merkmale der persönlichen Tumorzellen jeder Patientin und jedes Patienten einzeln angefertigt wird.
Der Impfstoff ist zur Behandlung von nicht-kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC) bestimmt. Etwa 85 Prozent aller Lungenkrebserkrankungen sind NSCLC.
Seit der Corona-Pandemie wird viel Geld in mRNA-Impfstoffe gesteckt. Mittlerweile wird nicht nur an einem Impfstoff gegen Lungenkrebs geforscht, sondern auch gegen andere Krebsarten wie Brust-, Prostata, Darm- oder Bauchspeicheldrüsen.
Was ist die mRNA-Technologie?
Der mRNA-Impfstoff beschreibt einen spezifischen Mechanismus zur Bildung eines Proteins in unseren Zellen. Dabei wird der Bauplan für dasjenige Protein, das in unseren Zellen hergestellt werden soll, in unseren Körper gespritzt. Die Technologie dahinter ist nicht neu. 1959 entdeckten Forscher, dass in unseren Zellen einzelsträngige Ribonukleinsäuren sitzen, die genetische Informationen für den Bau eines Proteins enthalten. 1989 gelang es zum ersten Mal, bestimmte Abschnitte der RNA, sogenannte mRNA in eine Zelle einzuschleusen. In den 90er-Jahren gelang es, mittels RNA bei Mäusen eine Immunantwort hervorzurufen. Am Menschen wurden RNA-Impfstoffe erstmals 2002 in klinischen Studien getestet. Der entscheidende Durchbruch gelang schliesslich der ungarischen Biochemikerin Katalin Karikó. Mit Forscherkollege Drew Weissman schaffte sie es, die empfindliche mRNA in Lipid-Moleküle zu verpacken. Solche winzige Nanopartikel kann man Tier und Mensch injizieren, ohne eine gefährliche Immunreaktion auszulösen. Das ermöglichte, mRNA für Therapien zu nutzen und legte den Grundstein für den mRNA-Impfstoff. (dhr)
Wie funktioniert der Impfstoff?
Die mRNA-Impfung wird nicht als Prävention angewendet, sondern ist für Menschen gedacht, die bereits an Krebs erkrankt sind. Der Impfstoff soll das Immunsystem darauf trainieren, Krebszellen zu erkennen und zu bekämpfen. Die Behandlung mit «BNT116», wie der Impfstoff bezeichnet wird, zielt darauf ab, ein Wiederauftreten des Krebses zu verhindern.
Auf derWebseite des UCLHheisst es dazu: «Der Impfstoff ist so konzipiert, dass er die Immunreaktion gegen Ziele, die hauptsächlich von Krebszellen exprimiert werden, gezielt verstärkt und das Risiko einer Toxizität für gesunde, nicht krebsartige Zellen verringert – im Gegensatz zur Chemotherapie, die häufig sowohl Krebs- als auch gesunde Zellen angreift.»
Wie sieht die Studie aus?
Die Forscherinnen und Forscher wollen nun herausfinden, ob der Impfstoff sicher und gut verträglich ist. Dazu wird er an Patientinnen und Patienten in unterschiedlichen Krebsstadien getestet: von Patientinnen und Patienten im frühen Stadium vor der Operation oder der Strahlentherapie (Stadium 2 und 3) bis zum späten Stadium der Erkrankung (Stadium 4) oder von Personen, bei denen der Krebs wieder aufgetreten ist. Etwa 130 Personen in insgesamt sieben Ländern (Grossbritannien, Deutschland, Ungarn, Polen, Spanien, Türkei und USA) werden an der Studie teilnehmen.
Dr. Sara Benafif, die Leiterin der Studie, sagt: «Die Stärke unseres Ansatzes besteht darin, dass die Behandlung sehr gezielt auf Krebszellen abzielt. Auf diese Weise hoffen wir, im Laufe der Zeit zeigen zu können, dass die Behandlung gegen Lungenkrebs wirksam ist, während andere Gewebe unangetastet bleiben.»
Die Studie steckt allerdings noch in den Kinderschuhen, die Forscherinnen und Forscher rechnen in der ersten Phase mit einer Dauer bis 2027. Ist diese abgeschlossen, wird es noch weitere Studien mit mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer brauchen. Eine reguläre Impfung für Lungenkrebspatientinnen und -patienten ist also noch Jahre entfernt.
Was sagt der Patient dazu?
Der allererste Patient, der den Krebsimpfstoff erhält, heisst Janusz Racz und kommt aus London. Bei Racz wurde im Mai 2024 ein Tumor in der rechten Lunge entdeckt, er durchlief nach der Diagnose eine Chemo- und Strahlentherapie.
Racz erhielt im Rahmen der Studie sechs Impfungen im Abstand von jeweils fünf Minuten. Jede davon mit unterschiedlichen RNA-Strängen für andere Oberflächenmerkmale der Krebszellen. Über sechs Wochen bekommt er diese sechs Injektionen wöchentlich verabreicht – zusätzlich zur Immuntherapie.
Der 67-Jährige sagt: «Dr. Sarah (Benafif) erklärte mir, wie der Impfstoff wirken sollte und inwiefern er sich von der Behandlung unterscheidet, die ich kürzlich abgeschlossen hatte. Die Hoffnung war, dass der Krebs dadurch nicht mehr zurückkehren würde.»
Warum gerade Lungenkrebs?
Lungenkrebs ist eine der häufigsten Krebstodesursachen weltweit. Es wird geschätzt, dass rund 1,8 Millionen Menschen jährlich an Lungenkrebs sterben.
Die Fünfjahres-Überlebenschance bei Lungenkrebs ist sehr niedrig: Bei Frauen überleben rund 25 Prozent, bei Männern 19 Prozent.
In der Schweiz erkranken jedes Jahr4900 Menschen an Lungenkrebs, wie die Krebsliga schreibt.