Sie kann gerne wieder nach Strengelbach kommen
305 Kilometer nur sind es bis Saarbrücken. Da wo Miao Huang herkommt, die chinesische Pianistin der Extraklasse, die am Sonntag mit ihrem Mann zum neunten Mal Strengelbach besucht. Und erstmals in tadellosem Deutsch ihre Stücke vorstellt. Zum Beispiel Johann Sebastians Bachs (1685–1750) Partita Nr. 2 c-Moll, BWV 826. «Gemüths-Ergoetzungen», die bereits zu Bachs Lebzeiten eine Sensation waren. Die Instrumentalstücke in tänzerischem Charakter überraschen in ihrer Verspieltheit mit langsamen, traumwandlerischen Sätzen wie auch mit schnellen Motiven. Das ist Ausdruck pur.
Kunst der Feinmechanik huscht über die Tasten
Miao Huang zeigt, dass die als Klavierübungen betitelten Stücklein mehr als blosse Übungen sind, eilt mit halsbrecherischem Tempo über die Tasten und arbeitet die Details äusserst filigran und mit der Bach so eigenen, unablässig fortschreitenden und sich nie erschöpfenden Regelmässigkeit heraus.
Eine schöne Eröffnung fürwahr. Von da an geht es weiter mit Beethovens Sonate Les Adieux. Im Lebewohl ergiesst sich feuriger Herzschmerz über die Tasten. Miao Huang ist mit voller Hingabe, aber insgesamt doch gemässigt im Spiel. Es ist eine Kunst, die hier über die Tasten huscht – eine Kunst der Feinmechanik. Das Drama nimmt seinen Lauf, die Saiten klirren, es braust und rauscht. Bis zum Äussersten. Der Yamaha-Flügel erweist sich als Spielgefährte auch der leisen Klänge und alles ergiesst sich in die Meeresstille der Seele.
«Abwesenheit» dann ist ein gedankenvergessenes Stück; es ist, als ob sich die Pianistin selbst abhandenkäme und sich einem Automatismus gleich in absichtslose Klänge verliert. Träumerisches Parlieren nennt man das.
So viel bezaubernder Ausdruck, schlicht ergreifend. Man möchte sich schlicht in Bewegung setzen. Unruhig auf- und abschreiten. Brahms kurzes Intermezzo op. 117 Nr. 1 Es-Dur, ein Schlaflied für den Kummer, bietet eine kleine Verschnaufpause. Bevor Romantiker Chopin anklingt mit dem Andante spianato und der Grande Polonaise brillante Es-Dur op. 22.
Als ob man in ihre Seele schauen würde
Miao Huang greift die Töne förmlich aus dem Flügel heraus und treibt sie aus dem Instrument heraus. Grossartige Klavierkunst und stupende Virtuosität mit viel Gefühl – es ist, als ob man in ihre Seele hineinschauen würde. So viel Freude an einem Sonntagabend. Eine Zugabe mit der traurig-dramatischen Musik Liszts krönt den Abend zum Abschluss.
Sehr schön. Ergreifend, und doch federleicht. Kommen Sie gerne wieder von Saarbrücken nach Zofingen, Miao Huang!