Frau «Iseli» alias Birgit Steinegger erhält den Schweizer Comedy-Oscar
Dass alt-Bundesrätin Doris Leuthard am Samstag die Laudatio auf Birgit Steinegger halten wird, passt haargenau zum Schweizer Humor. Er ist selten böse und verletzend. Meist wird das Schrullige ins allgemeine Mitlachen überführt. Gesellschaftskritik bleibt verdaulich. Die Geehrte hat ihre Laudatorin ja auch schon parodiert. Birgit Steinegger ist in diesem Sinne sowohl eine herausragende Verwandlungskünstlerin, die in hundert Rollen geschlüpft ist, als auch eine Komödiantin, die von allen geliebt wird.
Also fast von allen. Vielleicht gehört Tennis-Ass Martina Hingis nicht zu den grössten Fans – schliesslich hat Birgit Steinegger deren Auftritt als Waschmaschinen-Werbefigur in eine lustige Karikatur verwandelt. Und scharfe Antirassisten waren 2013 erbost, dass Steinegger sich das Gesicht schwarz schminken liess, um satirisch auf die «Täschli-Affäre» mit Oprah Winfrey an der Zürcher Bahnhofstrasse zu reagieren. Aber das blieben Einzelfälle.
Feminine Unverschämtheit schlägt helvetische Biederkeit
Die 1948 als Tochter eines Schweizers und einer Schwedin geborene Komödiantin hat mit ihren Sketchen für «Viktors Spätprogramm», vor allem aber mit ihrer phänomenalen One-Woman-Show «Total Birgit» Kultstatus erreicht. Zwischen 1998 und 2015 stemmte sie als Frau Iseli («mit Pudelfrisur») und Frau Schruppatelli fast alle Rollen in diesen Sketches. Ob sie die biedere Schrebergarten-Ordnung oder den Gefängnisalltag durcheinander wirbelt: Mit unverblümtem, hemdsärmligem Charme und einer guten Portion femininer Unverschämtheit («Du bisch ruhig, Bubi») setzt sich hier jeweils Slapstick und Schlagfertigkeit gegen helvetische Borniertheit durch. Steinegger spielte die ganze Bandbreite an Figuren, vom Freak bis zur Anwältin. SRF füllt mit Wiederholungen der Sendungen immer wieder die Sommerlöcher.
Unglaubliche 28 Jahre lang prägte Birgit Steinegger zusammen mit Walter Andreas Müller mit der Radiosatire «Zweierlei» auch im Radio den Schweizer Humor. Unvergessen sind ohnehin Steineggers liebevolle Parodien von Bundesrätinnen. Was ihr an diesen Parodien besonders wichtig gewesen sei, erklärte sie einmal so: Sie habe nie jemanden verletzen wollen. Ein wenig Anklopfen dürfe man allemal, aber nicht grob. Und hätte sich zum Beispiel Bundesrätin Ruth Dreifuss beklagt, so hätte sie mit dieser Parodie sofort aufgehört.
Der Lifetime Award bei den «Swiss Comedy Awards» passt auch aus einem anderen Grund besonders gut zu Birgit Steinegger und deren enge Beziehung zu SRF. Denn bereits als Elfjährige hatte sie ihren ersten Fernsehauftritt – in Schwedentracht und mit Geige bei Heidi Abel.