Die Schweiz verliert trotz langer Überzahl und wegen VAR-Pech gegen Spanien am Ende deutlich mit 1:4
Geografisch liegen rund 600 Kilometer zwischen der Schweiz und Spanien. Aber fussballerisch ist der Europameister die Grenze, an der sich die Schweizer Nationalmannschaft orientieren will. Zur Erinnerung: Während der Europameisterschaft wurde aus der Utopie, dass Captain Granit Xhaka im Anschluss an den Final den Pokal überreicht bekommt, ein durchaus vorstellbares Szenario.
Also ist das Gastspiel des Titelträgers zwei Monate nach dem Turnier der ideale Test, um zu erfahren: Hat sich Murat Yakins Team an der EM wirklich nachhaltig auf ein neues Level gehoben? Das Vorspiel am Donnerstag in Dänemark liess die Antwort wegen des ungerechtfertigten Platzverweises gegen Nico Elvedi offen. Doch als drei Tage später im Stade de Genève eine Viertelstunde gespielt ist, neigt man erst einmal zur Ernüchterung: 2:0 führt Spanien bereits durch Joselu (4.) und Fabian (13.). Vor beiden Toren Mal zerzausen die Flügelspieler Nico Williams und Lamine Yamal die Schweizer Defensive. Für deren Gegenspieler Remo Freuler (Yamal) und Grégory Wüthrich (Williams) sind die Zweikämpfe mit den Vorlagengebern eine Grenzerfahrung im negativen Sinn: Ohne Chance!
Was das Ganze aus Schweizer Sicht noch bitterer macht: Hinter beiden Gegentoren stehen Fragezeichen. Ob der Ball beim 0:1 die Linie komplett überschreitet, bleibt unklar. Weil in der Nations League aber gemäss Rückmeldung des Schweizerischen Fussballverbandes keine Torlinien-Technologie zum Einsatz kommt und der VAR das Gegenteil nicht beweisen kann, bleibt der Treffer bestehen. Und vor dem 0:2 wird Michel Aebischer an der Mittellinie von Yamal leicht gestossen, woraus der Ballverlust und der spanische Konter entstehen.
Zweimal hat die Schweiz VAR-Pech
Die Entscheidungen des Schiedsrichter-Gespanns bieten noch mehr Frustpotenzial: Wenn es das vermeintliche 1:1 durch Becir Omeragic wegen vorangegangenem Handspiel von Freuler zurücknimmt, müsste es das gleiche Vergehen von Yamal im spanischen Sechzehner ebenfalls ahnden – und auf Penalty für die Schweiz entscheiden.
Dass es überhaupt zu diesen strittigen Szenen kommt, suggiert: Die Schweizer rappeln sich nach dem Fehlstart auf und wissen zunehmend zu gefallen – vor allem im Vorwärtsgang. Der emsige Ruben Vargas, der bullige Breel Embolo und der agile Zeki Amdouni stellen die nahezu in Bestbesetzung angetreten Spanier vor Probleme. Als Embolo nach 20 Minuten ab der Mittellinie entwischt, kann Robin Le Normand ihn nur mit einem Foul stoppen – und wird dafür von Schiedsrichter Irfan Peljto vom Platz gestellt. Amdouni setzt den anschliessenden Freistoss an die Latte und hat dann nach einem Vargas-Eckball mehr Glück, als ihm der Ball via Embolo vor die Füsse fällt – nur noch 1:2.
Zakaria enttäuscht als Xhaka-Ersatz
Murat Yakin nimmt nach dem 0:2 in Dänemark vier Wechsel vor. Wüthrich in der Dreierabwehr und Zakaria im Mittelfeld ersetzen die gesperrten Elvedi und Xhaka, Amdouni erhält den Vorzug vor Rieder und Omeragic spielt den kurzfristig ausgefallenen Widmer.
Für Zakaria ist es eine persönliche Bewährungsprobe: Kann er in Abwesenheit von Xhaka das Schweizer Spiel orchestrieren? Das Verdikt lautet: Nein. Der Monaco-Profi fällt ab und muss nach 62 Minuten runter. Dass auch Wüthrich Mühe hat, damit musste gerechnet werden: Es gibt dankbarere Aufgaben als das Startelf-Debüt in der Nati gegen die aktuell beste Mannschaft Europas. Und Omeragic? Der setzt mit dem annullierten Ausgleichstreffer (7.) früh ein Ausrufezeichen, zahlt aber defensiv in einigen Szenen Lehrgeld.
So auch eine Viertelstunde vor Schluss, als ihm am linken Flügel der eingewechselte Ferran Torres enteilt und den Ball auf den mitgelaufenen Fabian zurücklegt, der für Spanien den Zweitore-Vorsprung wiederherstellt. Dass es in der 80. Minute gar 4:1 für die Gäste steht, muss den Schweizern zu denken geben: Dass Torschütze Torres ab der Mittellinie alleine auf Gregor Kobel losziehen kann, darf nicht passieren – schon gar nicht in Überzahl.
Und so lautet die Erkenntnis nach dem Stresstest gegen den Europameister: Vielleicht nicht 600 Kilometer wie auf der Landkarte, aber auch fussballerisch ist die Nati noch ein grosses Stück entfernt von den bewundernswerten Spaniern.