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Debatte verschlafen? Das ist im Duell zwischen Harris und Trump aufgefallen

Kamala Harris gegen Donald Trump. Diese TV-Debatte vor den US-Wahlen ist mit Spannung erwartet worden. Vor allem eine Person konnte überzeugen. Die wichtigsten Punkte in Kurzform.

Heute Nacht trafen die Vizepräsidentin Kamala Harris von der Demokratischen Partei und Herausforderer Donald Trump, Kandidat der Republikaner, in Philadelphia zur ersten TV-Debatte im Rahmen der Präsidentschaftswahlen 2024 aufeinander. Die beiden kreuzten zum ersten Mal die Klingen – gespannt war der neutrale Zuschauer (gibt es die noch?) vor allem auf Harris’ Performance.

Wie lässt sich die Debatte in einem Satz zusammenfassen?

Die selbstsichere Harris treibt Trump 90 Minuten lang in die Ecke.

Konnte Kamala Harris überzeugen?

Sehr. Sie zeigte sich während der gesamten mehr als 90 Minuten nicht ein einziges Mal verunsichert. Im Gegenteil. Ihr gelang es, sich als Kandidatin zu präsentieren, die sich um die Bedürfnisse der Mittelklasse kümmert – eine Kandidatin, welche die USA wieder vereinen will, und nicht spalten.

Gleichzeitig holte sie Trump aus der Reserve. Dieser musste sich konstant verteidigen – eine Position, die ihm sichtlich nicht behagte. Seine Mimik nahm gegen Ende immer groteskere Züge an.

Harris Mission war es nicht, die Trump-Basis zu erschüttern. Das ist nicht möglich. Es ging darum, die Unentschlossenen auf ihre Seite zu ziehen. Und das dürfte Kamala Harris gelungen sein.

Wirkte Kamala Harris, was in den USA so wichtig ist, wie eine starke Präsidentin?

Ja.

Sie vermittelte Engagement, Stärke und Selbstsicherheit. Trump übliche Masche, seine Gegner als schwächliche Opfer darzustellen, blieb heute Abend wirkungslos. Die Attacken verfehlten ihr Ziel oder zerschellten an einer knackigen Antwort. Was für Trump am schlimmsten wiegen dürfte: Das grosse Thema heute wird Harris Performance sein. Die Schlagzeilen gehören ihr – und nicht Trump. Das wird den Narzissten vermutlich am härtesten treffen.

Gelang es Harris, Trump aus der Fassung zu bringen?

Definitiv. Trump gelang es zwar, einen Eklat zu vermeiden, ihm war aber sichtlich anzusehen – und anzuhören, wie die Wut im Verlaufe der Debatte immer mehr hochkochte. Phasenweise war er nahe dran, zu schreien.

Sah phasenweise alt aus: Donald Trumpt.
Bild: AP

Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie sehr konnte Kamala Harris überzeugen?

Ich gebe ihr eine 9,2. Das scheint sehr hoch, aber die Kräfteverhältnisse waren heute einfach zu klar verteilt.

Wer vor der Debatte Zweifel an Harris hatte, wird diese während der 90 Minuten abgelegt haben. Einziger Schwachpunkt: Harris sprach nicht wirklich oft über konkrete Politiken – ausser finanzieller Unterstützung für kleine Firmen und Familien.

Kam von Trump mehr als nur das übliche Geschnatter?

Nein.

Trump versuchte, bei jeder Frage auf das Thema Einwanderung abzubiegen. Die zahlreichen Wiederholungen wirkten allerdings bemüht und verzweifelt.

Wie alt wirkte Donald Trump auf der Bühne?

Vom Energie- und Fitnesslevel war von Trumps Alter und seiner angeblichen Senilität wenig zu sehen. Er war wütend, energetisch und weit davon entfernt, eine Biden-Performance hinzulegen. Wie erwartet artikulierte er sich im Vergleich zu Harris allerdings plump und beschränkt. Diese bekannten Limiten wurden heute Abend erneut deutlich ersichtlich.

Auf einer Skala von 1 bis 10 – wie sehr konnte Donald Trump überzeugen?

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Trump wurde heute Abend vorgeführt, wie selten in einer Debatte.

Gab es den einen Moment, von dem in Zukunft alle reden werden?

Einen eindeutigen Moment gab es nicht. Für einige Belustigung im Netz wird aber Trumps Aussage sorgen, dass Einwanderer in Springfield, Ohio, Hunde und Katzen stehlen, und essen würden. Die Behauptung wurde noch während der Debatte vom Moderator David Muir als Falschaussage enttarnt.

Welches war Harris’ bester Moment?

Als Trump eine Salve an Beschuldigungen abfeuerte, für welche schlimmen Verbrechen Einwanderer verantwortlich seien, welche in Massen von der Biden-Regierung ins Land gelassen wurden, antwortete Harris prompt: Die Vorwürfe seien dick aufgetragen von jemandem, der selbst verurteilt und in diversen Fällen angeklagt wurde. Mit einem einzigen Satz nahm sie Trump damit den Wind aus den Segeln.

Welches war Trumps bester Moment?

Trump hatte heute einen schweren Stand. Seine besten Momente hatte er, wenn er schnippisch und frech werden konnte – was ihm nur selten gelang. Als Harris Trump einmal ins Wort fuhr, sagte er: «Jetzt rede ich … kommt dir dieser Satz bekannt vor?». Das war sehr beleidigend und löste bei Trumps Basis vermutlich Begeisterungsstürme aus.

Ob er damit bei unentschlossenen Wählern – unentschlossenen Frauen – punkten konnte, darf bezweifelt werden.

Harris’ schlechtester Moment?

Harris Performance war sehr stabil. Einen wirklich schlechten Moment hatte sie nicht.

Trumps schlechtester Moment?

Sein Abschlussplädoier.

Erschöpft, enerviert und aufgerieben setzte Trump zu einem wütenden Schlussplädoier an, das eine einzelne Aufzählung war, wie schlecht es um die USA stehe. Am Schluss konstatierte er: Das Land sei auf dem Weg in die Hölle. Jeglicher Nationalstolz, jegliches Mitgefühl ging ihm abhanden, eine Beleidigung für jeden Patrioten.

Mit seiner Wutrede spielte er, ohne es zu realisieren, Harris in die Karten. Er frass ihren Köder. Denn diese versuchte herauszustreichen, dass die USA viel mehr zu bieten habe, als nur Hass und Zwietracht unter den Bürgern. Sie positionierte sich als Kandidatin für eine hoffnungsvolle Zukunft. Und man nahm es ihr ab.

Mit welchen Sprüchen versuchte Trump Harris zu beleidigen?

«Sie ist eine Marxistin.»

«Sie ist Biden.»

«Sie ist die schlechteste Vizepräsidentin in der Geschichte der USA.»

Welche Themen wurden angesprochen?

Wirtschaft

Abtreibung

Immigration

Der Sturm aufs Kapitol

The Big Lie

Israel

Ukraine

Afghanistan

Rassendiskriminierung

Das Gesundheitssystem Klimawandel

Tatsächlich wurden während der Debatte nur sehr wenige konkrete Politiken besprochen. Und wenn, dann kam auf beiden Seiten schnell der Vorwurf der Lüge.

Was gab es sonst noch Erwähnenswertes?

Ja, das gab es. Zwei Dinge.

Im Gegensatz zur historischen Debatte mit dem altersschwachen Joe Biden, wurde diese aktiv moderiert. Vor allem David Muir liess einige der kruden Aussagen von Trump nicht einfach unkommentiert stehen. Der Moderator von ABC intervenierte und korrigierte. Bei Harris musste das Moderatorenteam nicht eingreifen, was denn auch schnell ein schlechtes Licht auf Donald Trump warf.

Etwas weiteres viel auf: Gegen Ende der Debatte bildeten sich bei Donald Trump kleine Schweissperlen auf der linken Seite der Oberlippe. Es mag ein Detail sein, eine Winzigkeit, aber die Schweissperlen stellten Trump zusätzlich in ein unsouveränes Licht. Der Lack war ab.

Wer gewann die Debatte?

Kamala Harris.

Gewinnt Sie die Wahlen, wird diese Debatte definitiv als einer der Grundsteine für ihren Erfolg gefeiert werden.