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Plastikröhrli sind ökologischer, als viele denken – trotzdem haben sie kaum eine Chance

Die Capri Sun Group hat eine Online-Petition gestartet. Darin fordert sie von der EU-Kommission, wieder Plastikröhrli verwenden zu dürfen – dafür gibt es auch gute Gründe.

Er ist zwar nur ein Saftsack, aber er weckt Emotionen: Der Trinkbeutel von Capri-Sun, besser bekannt unter dem ursprünglichen Namen Capri-Sonne. Das zeigte sich Ende August, als die Capri Sun Group mit Sitz in Baar ZG eine Online-Petition startete. Gerichtet ist sie an die Kommission der Europäischen Union. Die Getränkefirma möchte ihre Trinkbeutel wieder mit Plastikröhrli ausstatten. Diese sind seit 2021 in der EU verboten. Unter der Petition auf change.org füllt sich die Kommentarspalte: «Papphalme sind der grösste Müll.» Oder: «Ich will Capri-Sonne schmecken und kein Matheheft.»

Schon wenige Tage davor drang die Firma mit ihrem Anliegen an die Öffentlichkeit. Die«Sonntags-Zeitung»widmete der Capri Sun Group eine ganze Seite. Darin verkündete der Konzernchef, das Kartonröhrli bald wieder durch eines aus Plastik zu ersetzen – zumindest in der Schweiz, wo Plastikröhrli bis heute erlaubt sind. Auch unter diesem Artikel fanden sich kartonröhrlifeindliche Kommentare. Haben die kritischen Stimmen in der Leserspalte recht? Hat die EU die Plastikröhrli vorschnell verboten?

Plastik nicht per se umweltunfreundlich

Das Plastikröhrli sei bei der Kundschaft sehr beliebt, schreibt Coop. Gerade bei den Trinkbeuteln mit Fruchtsaft – also ihrem Konkurrenzprodukt zu Capri-Sun: «Es lässt sich problemlos in den Beutel stechen.» Auch die Migros bekennt sich hier zum Trinkhalm aus Kunststoff. Aber keiner der beiden Grossverteiler attestiert dem Plastikröhrli andernorts gute Aussichten. «Der Umwelt zuliebe liegt die Zukunft klar bei den Kartonröhrli», schreibt die Migros.

Dabei seien Plastikröhrli nicht per se schlecht für die Umwelt, sagt Patrik Geisselhardt. Gemäss dem Geschäftsführer von Swiss Recycle hängt es davon ab, wo die Röhrli nach Gebrauch landen: im Abfall, im Recycling oder in der Natur. Halme aus Karton werden in Wäldern oder Ozeanen viel besser abgebaut als Plastik. Das spielt aber keine Rolle, wenn die Röhrli im Recycling enden.

Das Plastikverbot ist auch ein Symbol

«Monomaterielle Verpackungen sind für das Recycling wichtig», sagt Geisselhardt. Für eine Kreislaufwirtschaft von Trinkbeuteln heisse das:

Ein Trinkbeutel aus recycelbarem Plastik und Röhrli aus Karton müssen zuerst getrennt, bevor sie wiederverwertet werden.

Ein Trinkbeutel sowie Röhrli aus recycelbarem Plastik lassen sich gemeinsam rezyklieren.

Als Saftladen würde Geisselhardt die EU wegen des Plastikröhrli-Verbots zwar nicht bezeichnen. Aber er wittert dahinter vor allem «Symbolpolitik». Die baldige Rückkehr von Kunststoffhalmen hält er dennoch für unwahrscheinlich, «weil Plastik verpönt ist».

Der schlechte Ruf von Plastik zeigt sich auch an der Petition gegen die Petition. Auf der eingangs erwähnten Website blasen Kunststoff-Gegner zum Angriff auf die Pläne von Capri-Sun. «Die Rückkehr zu Einwegplastik wäre ein gefährliches Signal und ein Freibrief für andere Unternehmen, ähnliche Forderungen zu stellen», schreibt der Meeresschutz-Verein Sana Mare in ihrer eigenen Petition. Ihr Anliegen erhielt in wenigen Tagen 20’000 Unterschriften.

Capri-Sun hingegen hat zwei Wochen gebraucht, um über 45’000 Unterschriften zu sammeln. Ob es dem Getränkehersteller damit gelingt, das Kartonröhrli-Gebot der EU aufzuweichen?