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Frau nach Schikane-Stopp für Auffahrunfall gebüsst – Obergericht befindet Urteil für nichtig

Im Juni 2022 wurde die auffahrende Lenkerin für einen Unfall im Kreisel Lupfig-Birrfeld gebüsst. Das Obergericht sieht die Sache anders.

Am 5. Juni 2022 ereignete sich um 2 Uhr morgens im Kreisverkehr auf der Birrfeldstrasse Richtung Lupfig ein Auffahrunfall. Elena (Name geändert) befand sich bereits im Kreisverkehrsplatz, als Claudio (Name geändert) seinen Personenwagen, angeblich aufgrund ihres eingeschalteten Blinkers, vor ihr in den Kreisel lenkte. Bei diesem Manöver hupte die 24-Jährige, welche laut eigener Aussage nicht abbiegen wollte. Daraufhin bremste Claudio seinen Personenwagen bis zum Stillstand ab, und es kam zu einer Kollision mit Sachschaden. Verletzt wurde niemand.

Am 12. Juni 2023 sprach der Präsident des Bezirksgerichts Brugg-Zurzach Elena der fahrlässigen Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeherrschen des Fahrzeuges sowie des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall schuldig.

Dies, da der Aufprall laut Bezirksgericht durch adäquates Handeln der Lenkerin hätte vermieden werden können. Zudem fuhr sie nach dem Unfall weiter, ohne dem Unfallgegner ihre Personalien bekannt zu geben oder das Eintreffen der Polizei abzuwarten. Sie wurde zu 700 Franken Busse, ersatzweise 23 Tage Freiheitsstrafe, verurteilt.

Am 24. Mai 2024 focht Elena das vorinstanzliche Urteil vollumfänglich an und beantragte, sie sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen freizusprechen, da sie den Unfall nicht zu verantworten habe. Mit Verfügung vom 29. Mai 2024 wurde das schriftliche Verfahren angeordnet. Nachdem ihre schriftlichen Berufungsgründe am 17. Juni abgewiesen wurden, reichte sie am 20. Juni eine freigestellte Stellungnahme ein.

Aus Ärger gebremst und Unfall verursacht

Die Vorinstanz hatte im ersten Verfahren festgestellt, dass die Beschuldigte bei der Einfahrt in den Kreisverkehr rechts geblinkt habe, ohne das Manöver danach durchzuführen. Dass Claudio, als er vor ihr in den Kreisel fuhr, nach ihrem Hupen – ob aus Schikane oder einem anderen Grund – stark abgebremst habe, sei bezüglich des Verhaltens der Beschuldigten irrelevant. Sie müsse jederzeit dazu in der Lage sein, adäquat auf eine Situation zu reagieren, so die Vorinstanz.

Ein Mitfahrer von Claudio, welcher dessen Uber-Dienst nutzte, berichtete, dass sich der Fahrer wegen des Hupens stark aufgeregt und im Anschluss gebremst habe. Claudio brachte vor, nicht nur wegen seines Ärgers über das Nichtabbiegen und Hupen der Beschuldigten, sondern auch vor Schreck gebremst zu haben. Diese Begründung reichte jedoch nicht aus, um sein Verhalten zu rechtfertigen.

In seinem Anfang Monat publizierten Urteil befand das Obergericht den Entscheid der Vorinstanz für teilweise rechtsfehlerhaft. Die Autofahrerin habe nach ihrem Hupen nicht mit der übermässigen Reaktion des anderen Lenkers rechnen müssen, so die Erklärung. Elena wurde demnach vom Vorwurf der Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeherrschen des Fahrzeugs infolge mangelnder Aufmerksamkeit freigesprochen. Dem pflichtwidrigen Verhalten bei Unfall sprach sie das Obergericht schuldig. Sie wurde zu einer Busse von 500 Franken, ersatzweise 17 Tage Freiheitsstrafe, verurteilt.

Die obergerichtlichen Verfahrenskosten von 3000 Franken wurden der Beschuldigten zur Hälfte auferlegt, die restlichen 1500 Franken entfielen auf die Staatskasse. Ebenso erhielt der Verteidiger der Beschuldigten 1500 Franken von der Obergerichtskasse, für die restlichen Parteikosten hat sie selbst aufzukommen. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von 2436.30 Franken wurden der Beschuldigten auferlegt.