Noch mehr Teams, noch mehr Spiele, noch mehr Milliarden: Ein Schweizer hat die neue Champions League erfunden
Es könnte auch «Müller-Modell» heissen. Aber «Schweizer Modell» tönt wohl besser. Im Jahr 1895 hat der Schweizer Lehrer Julius Müller einen Modus für Turniere erfunden, bei denen aufgrund der hohen Anzahl Teilnehmer nicht alle gegeneinander spielen können. Dieser Modus kommt seither vor allem im Schachsport zur Anwendung und erhält nun, knapp 119 Jahre nach seiner Erfindung, quasi die Krönung: Müllers «Schweizer Modell» dient als Vorlage für die neue Königsklasse im Fussball. Modus, Teilnehmerzahl, Prämien – (fast) alles ist neu in der Königsklasse.
Wie funktioniert der neue Modus?
Die Champions-League-Reform bedeutet das Ende der Vierergruppen, wie es sie seit Umbenennung des «Europapokal der Landesmeister» in «Champions League» im Jahr 1992 stets gegeben hat. Anstelle von Gruppen spielen alle Teilnehmer in einer Liga. Bei der Auslosung wurden jedem Team acht Gegner zugelost – gegen vier davon spielt man zu Hause, gegen vier auswärts. Aber gegen keinen Gegner spielt man – wie im bisherigen Modus üblich – zwei Mal.
Nach den acht Spieltagen sind die Teams auf den Rängen 1 bis 8 direkt für die Achtelfinals qualifiziert. Die Teams auf den Rängen 9 bis 24 spielen in Playoffs (Hin- und Rückspiel) die restlichen acht Achtelfinalplätze aus. Die Teams auf den Rängen 25 bis 36 scheiden aus.
Ab den Achtelfinals bleibt es beim altbekannten K.-o-System. Der Final findet am 31. Mai 2025 in München statt.
Wie viel grösser ist das Teilnehmerfeld und wer bekommt die zusätzlichen Plätze?
Seit der Saison 1999/2000 bestand die Champions League nach der Qualifikation aus jeweils 32 Teams. Mit dem Moduswechsel wird nun auch das Teilnehmerfeld vergrössert: auf 36 Teams.
Wer die vier zusätzlichen Starttickets erhält, war lange ein Streitpunkt zwischen der Uefa und dem Klub-Dachverband ECA. Die (nicht von allen Parteien begrüsste) Lösung lautet: Ein Ticket geht an die Liga auf Rang 5 der Uefa-Fünfjahreswertung – in der Premierensaison an die französische Ligue 1 in Form von Stade Brest. Zwei weitere Tickets erhalten die Länder, deren Teams in der vorangegangenen Europacup-Saison am besten abgeschnitten haben. Das vierte Ticket geht an einen Meister aus einer kleineren Liga – sprich in der Qualifikation werden im Meister-Weg neu fünf statt vier Startplätze ausgespielt.
Gibt es den Fallschirm Europa League weiterhin?
Bislang durften die acht Drittplatzierten der Gruppenphase in der Europa League weitermachen. Dieser Fallschirm ist Geschichte – für alle nach der Ligaphase auf Rang 25 oder schlechter klassierten Teams ist der Europacup vorbei.
Es gibt mehr Teams – gibt es auch mehr Geld?
Letzte Saison schüttete die Uefa in der Champions League insgesamt 2 Milliarden Euro Startgeld und Erfolgsprämien aus. Dieses Jahr sind es 2,5 Milliarden. Obwohl das Teilnehmerfeld grösser geworden ist, steigen die Beiträge pro Klub. Zum Beispiel beträgt das garantierte Startgeld statt 15 neu 18 Millionen Euro.
Ebenfalls erhöht worden sind die Marketing-Zahlungen: Diese werden in der neu eingeführten «Werte-Säule» berechnet und betragen insgesamt 853 Millionen Euro. Diese Summe ist ein Teil der Gesamteinnahmen der Uefa aus dem Verkauf der europäischen und nicht-europäischen TV-Rechte. In der Szene wird angesichts dieser Monstersumme schon vom «Jackpot» gesprochen. Die Chance für Teams aus kleineren Ligen auf bedeutend mehr als die garantierten 1,3 Millionen Euro sind klein: Verteilt wird der «Jackpot» einerseits nämlich gemessen an der Zahlungskraft der teilnehmenden Länder für die TV-Rechte. Und Champions-League-Rechte für den Schweizer TV-Markt sind verhältnismässig sehr günstig zu haben. Der zweite Richtwert ist das Abschneiden der Teilnehmer in der europäischen Klubrangliste,
Geblieben sind die Erfolgsprämien, die für alle gleich sind und deren Summe wegen der höheren Mindestanzahl Spiele tendenziell steigen wird: Für einen Sieg in der Ligaphase gibt es gut 2 Millionen Euro, für ein Remis immer noch 700’000. Und nicht zu vergessen: Weil alle Teams mindestens ein Heimspiel mehr als bisher austragen dürfen, steigen auch die Ticket- und Gastroeinnahmen.
Was sind die Kritikpunkte an der neuen Champions League?
Es gibt vor allem zwei: Zum einen der noch grössere finanzielle Unterschied zwischen Champions League und den anderen zwei Wettbewerben Europa und Conference League. Alleine das Startgeld ist in der Königsklasse fünf Mal höher. Gerade in Ligen wie der Schweiz, aus denen sich maximal ein Team für die Champions League qualifiziert, sind die gestiegenen Prämien ein Problem: Gemäss defensiven Schätzungen sind den Berner Young Boys dank der Teilnahme an der Ligaphase Uefa-Einnahmen von rund 40 Millionen Euro sicher. Zum Vergleich: Bis auf YB und den FC Basel haben alle Vereine in der Super League einen massiv tieferen Jahresumsatz als diese 40 Millionen.
Zwar verteilt die Uefa in allen Ländern Ausgleichszahlungen an jene Teams, die sich nicht für den Europacup qualifiziert haben. Das entschärft den finanziellen Vorteil von YB jedoch nur marginal.
Immerhin: Dass Geld – zumindest kurzfristig – keine Garantie auf Erfolg ist, beweisen die Berner gleich selbst: Sie haben schon letzte Saison über 30 Millionen Euro in der Champions League eingenommen, nun aber einen katastrophalen Start in die neue Super-League-Saison hingelegt und zieren nach sechs Spieltagen das Tabellenende.
Der zweite Kritikpunkt betrifft den Terminkalender: Der ist durch die zwei zusätzlichen Spiele im Ligasystem noch voller geworden. «Irgendwann ist man zu müde, um noch mehr zu spielen», kritisiert der Schweizer ManCity-Star Manuel Akanji – und halb ernsthaft, halb scherzhaft fügt der 27-Jährige an: «Vielleicht lasse ich mich mit 30 pensionieren.» Akanji und sein Team können in dieser Saison theoretisch auf über 70 Spiele kommen. Denn im Sommer 2025 findet die neue Klub-WM mit 32 Teams ebenfalls erstmals statt.
Warum überhaupt wurde die Champions League verändert?
Die Reform entstand durch den Druck der Grossklubs. Zwar haben sie sich von der Abspaltung von der Uefa und der Gründung einer eigenen «Super League» (vorerst) abhalten lassen, doch dafür im Gegenzug das neue Format mit garantierten Mehreinnahmen verlangt.
Welche Schweizer sind in der neuen Champions League dabei?
YB ist das einzige Schweizer Team, daneben vertreten eine Vielzahl Einzelspieler unser Land: Nati-Captain Granit Xhaka (Leverkusen), Manuel Akanji (Manchester City), Gregor Kobel (Dortmund), Yann Sommer (Inter Mailand), Fabian Rieder, Leonidas Stergiou (beide Stuttgart), Noah Okafor (Milan), Remo Freuler, Michel Aebischer, Dan Ndoye (alle Bologna), Zeki Amdouni (Benfica), Breel Embolo, Philipp Köhn, Denis Zakaria (alle Monaco), Ardon Jashari (Brügge), Jordan Lotomba (Feyenoord), Grégory Wüthrich (Sturm Graz) und Bryan Okoh (Salzburg).
Wer sind die Favoriten?
Neuer Modus, übliche Favoriten: Topgesetzt sind – nicht nur bei den Buchmachern – Titelverteidiger Real Madrid und Manchester City. Die zweite Favoritenreihe bilden Bayern München, Barcelona, Inter Mailand, Juventus Turin, Liverpool und Paris St. Germain. Viel zugetraut wird zudem Arsenal London.
Wo gibts die Champions-League-Spiele zu sehen?
Nach drei Jahren überträgt SRF wieder live – und zwar während der Liga- und K.o.-Phase jeweils eine Partie am Mittwochabend. Alle Spiele überträgt der Bezahlsender «Blue».
Finden Europa League und Conference League auch im «Schweizer Modell» statt?
Ja, auch die anderen zwei Europacup-Wettbewerbe haben neu 36 Teilnehmer und ein Ligasystem. In der Conference League gibt es jedoch nur sechs statt acht Spieltage. Um die neuen Modelle zu promoten, finden die Auftaktspiele in der Champions League eine Woche früher statt als in den anderen Wettbewerben – und werden auf drei statt zwei Wochentage (Dienstag, Mittwoch, Donnerstag) verteilt.