Experte zur Pager-Attacke im Libanon: «Darin sehe ich das Husarenstück der Aktion»
Wie manipuliert man einen Pager?
Nicolas Mayencourt: Pager basieren auf einer simplen Technologie aus den 80er-Jahren und waren gängig, bevor es Handys gab. Sie zu manipulieren, ist sehr einfach. Mit einer Anleitung kann das eigentlich jeder, der einen Lötkolben bedienen kann. Man öffnet die Geräte, bringt eine Kapsel mit einer kleinen Menge Sprengstoff an und integriert einen Zusatzchip. Dieser ist so programmiert, dass er den Zünder der Sprengstoffkapsel aktiviert, wenn er eine vorher definierte Nachricht empfängt.
Und wie bringt man Hunderte Pager gleichzeitig zum Explodieren?
Man sendet allen gleichzeitig die Nachricht, die den Zündvorgang auslöst. Das können beispielsweise drei Ausrufezeichen sein oder jede andere vorher definierte Zeichenabfolge. Wenn man die Adressen der Pager kennt, kann man sie gezielt ansteuern.
Und wenn man die nicht kennt?
Pager funktionieren im Gegensatz zu beispielsweise einem Smartphone eindimensional. Sie empfangen Signale, senden aber selber keine zurück. Dadurch ist ein Pager nicht lokalisierbar. Sie empfangen die Signale aber auf einer bestimmten, bekannten Frequenz – ähnlich wie ein Radiogerät. Man kann also die Nachricht an alle Pager in einem bestimmten Radius schicken. Die manipulierten explodieren, die anderen erhalten einfach die Nachricht.
Die Pager stammen offenbar von einer taiwanesischen Firma, wurden aber unter Lizenz in Ungarn produziert. Wurden sie dort manipuliert?
Darüber kann man nur spekulieren. Natürlich könnte man die Fabrik unterwandern. Für einfacher halte ich es aber, die Lieferung abzufangen. Man öffnet das Paket, manipuliert die Geräte und schickt es weiter.
Dafür muss man die Lieferketten kennen.
Ja, und darin sehe ich das eigentliche Husarenstück dieser Aktion. Man muss das sehr gut analysiert und geplant haben. Die technische Manipulation war dann, wie gesagt, eine einfache Sache.
Es gibt auch die Theorie, dass einfach die Batterien zum Überhitzen gebracht worden sind und gar kein Sprengstoff nötig war.
Das halte ich für so gut wie ausgeschlossen. Man kann zwar eine Batterie aus der Ferne zum Überhitzen bringen, viel mehr aber auch nicht.
Wie bringt man eine Batterie zum Überhitzen?
Eine Batterie hat einen Chip, der gehackt werden kann. Nun kann man die Lade- und Entladevorgänge so manipulieren, dass die Batterie überhitzt.
Könnte man mit einer solchen Explosion jemanden umbringen?
Ein Pager hat nur eine kleine Batterie, das würde nicht reichen. Ausserdem explodiert eine überhitzte Batterie nicht mit einem Knall, sondern geht höchstens in einer Stichflamme auf. An Hacker-Kongressen habe ich das schon gesehen. Bei einem Handy, das man am Körper trägt, kann das schwere Verbrennungen auslösen. Bringt jemand eine Tesla-Batterie zum Überhitzen, würde der Fahrer wohl sterben. Hier könnte ein Hacker aber auch Bremsen und Lenkrad manipulieren, um ein Attentat auszuführen.