Ist der Shaqiri-Zauber schon verflogen?
In diesem Punkt sind sich alle einig: Xherdan Shaqiri ist ein aussergewöhnlicher Fussballer. Sein ehemaliger Nati-Teamkollege und heutige TV-Experte Admir Mehmedi krönte Shaqiris Rückkehr zum FC Basel vor einem Monat zum «grössten Transfer, den die Super League je gesehen hat»: 125 Länderspiele, als einziger Spieler seit 2014 an jeder EM- und WM Torschütze, zweifacher Champions-League-Sieger, deutscher und englischer Meister, Klubweltmeister. Weit daneben liegt Mehmedi sicher nicht.
Logisch, wird bei Shaqiri seit seiner Rückkehr genauer hingeschaut als bei anderen Neuzugängen. Und schneller geurteilt. Nach seinem enttäuschenden Startelf-Debüt gegen den FC Zürich (0:2) sehen viele ihre anfänglichen Zweifel bestätigt. Ist der Shaqiri-Zauber schon verflogen? Ist wirklich nur noch die Verpackung Shaqiri – und nicht mehr, was drin ist?
Keine zwei Meinungen kann es bei der Beurteilung seines Fitnesslevels geben: Shaqiri ist nicht fit genug für 90 Minuten. Er hat sich in den letzten Monaten in den USA einen erheblichen körperlichen Rückstand auf das für Profifussballer erforderliche Level eingebrockt. Das lässt sich auch mit einem genialen linken Fuss nicht kaschieren. Auch nicht in der Super League, in der viele ausländische Neuzugänge ins Staunen kommen, wie intensiv und körperbetont gespielt wird.
Gut möglich, dass Shaqiri schon im nächsten Spiel am Sonntag in Luzern einen raushaut wie an der EM das Wundertor zum 1:1 gegen Schottland. Aber in jedem Spiel, in jeder Phase dem Team helfen? So, wie es sein Millionenlohn und seine Vita fast schon erfordern? Das verhindert sein Zustand. Man könnte auch die Frage stellen, ob Shaqiri überhaupt je wieder dazu fähig sein wird.
Wer ihn gegen den FCZ spielen sah, erahnte, warum Shaqiri bereits in den USA den Erwartungen hinterherhinkte. Aber während es in Chicago zwei Jahre dauerte, bis Kritik am Missverhältnis zwischen Lohn und Leistung aufkam, wird die Schonfrist in Basel kürzer sein. Einerseits beim Publikum: Das ist im St. Jakob-Park für Euphorie genauso empfänglich wie für Depression. Die wird eintreten, sollte Shaqiri bis Ende Jahr den Beweis für seinen sportlichen Wert nicht liefern können. «Vielleicht ist meine Rückkehr ja schon jetzt ein Erfolg», sagte er vor dem 0:2 gegen den FCZ im Interview mit der «BaZ» – und weiter auf Nachfrage: «Die Menschen freuen sich, uns spielen zu sehen. Es weht ein frischer Wind, und jetzt müssen wir schauen, dass wir mit einem guten Spiel gegen den FCZ weiter dafür sorgen, dass die Euphorie bleibt.» Das mit dem guten Spiel gegen den Erzrivalen ist missglückt – Stimmungsabschwung bei den FCB-Fans inklusive.
Wer das Shaqiri-Schicksal in den Händen hält
Aber auch die Akzeptanz der Teamkollegen von Shaqiris Sonderrolle dürfte von begrenzter Dauer sein. Die vielen jungen Ausländer haben vielleicht schon mal vom Namen «Shaqiri» gehört – aber in Ehrfurcht erstarren wie ein FCB-Junior? Tun sie ganz sicher nicht! Für einen Mendes, Carlos, Traoré oder Baro ist Basel das Sprungbrett auf die grosse Bühne. Wenn von der neuen Nummer 10 nicht schnell und dauerhaft Leistung kommt, wird sein Einfluss in der Kabine schnell wieder sinken. Besonders bei jenen, denen Shaqiri vor der Sonne steht.
Zwei Personen werden die Fortsetzung der Shaqiri-Saga massgebend beeinflussen: Einerseits FCB-Trainer Fabio Celestini, der das richtige Mass finden muss zwischen Shaqiris persönlichem Formaufbau und der Optimierung des Kollektivs. Dass Celestini gegen den FCZ seinen Star von Anfang an laufen liess, befeuerte die Erwartungen des Publikums an eine erste Shaqiri-Gala. Dass Celestini Shaqiri dann bis zum Schlusspfiff auf dem Platz liess, war wenig förderlich für die Basler Ausgleichschancen. Oder wollte Celestini Shaqiri den Spiegel vorhalten? Nach dem Motto: Merke selber, wie weit du von 90 Super-League-Minuten weg bist!
Und dann hängt es am allermeisten natürlich von Shaqiri selber ab: Zweifel, dass er es noch draufhat, gibt es bei ihm keine: «Mein Ziel ist es, der Mannschaft wieder die Winnermentalität zu vermitteln. Dafür habe ich für drei Jahre unterschrieben und nicht nur für eines.» Immerhin: Dass von seiner Seite ein Sondereffort nötig ist, hat er eingesehen. Um die Fitness anzukurbeln, setzt er sich regelmässig nach dem Mannschaftstraining aufs Velo und strampelt den Basler Hausberg Gempen hoch. Er lässt sich täglich wiegen und vom neuen FCB-Ernährungsguru José Blesa, der früher für Cristiano Ronaldo arbeitete, das Menü diktieren.
Zurück zur Eingangsfrage: Ist der Shaqiri-Zauber schon verflogen? Nein! Sonst wären nicht schon heute praktisch alle Tickets fürs nächste Shaqiri-, pardon, FCB-Gastspiel am Sonntag in Luzern verkauft. Aber für Shaqiri gilt wie für alle Künstler: Nichts ist älter als der Erfolg von gestern.