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Trump lässt Selenski abblitzen – warum sich der ukrainische Präsident nun Sorgen machen muss

Das Treffen zwischen Wolodimir Selenski und dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump kommt wohl nicht zustande. Das ist nicht die einzige schlechte Nachricht für die Ukraine.

Der republikanische Präsidentschaftskandidat hat Wolodimir Selenski diese Woche als den «grössten Verkäufer der Welt» bezeichnet. Jedes Mal, wenn der ukrainische Präsident in die USA komme, schnödete Donald Trump, verlasse er das Land mit Milliarden von Dollars.

Das war kein Kompliment von gleich zu gleich, obwohl Trump doch eigentlich ein höchst talentierter Selbstvermarkter ist. Vielmehr ist der Republikaner wütend auf Selenski. Er wirft dem Ukrainer, der sich diese Woche in Amerika aufhält, eine ungebührliche Einmischung in den Wahlkampf um das Weisse Haus vor. Selenski besuchte am Sonntag eine Waffenfabrik im politisch umkämpften Bundesstaat Pennsylvania und liess sich dabei von führenden Demokraten begleiten. Damit stiess er angeblich viele Republikaner vor den Kopf. Aus diesem Grund kommt wohl auch ein mit Spannung erwartetes Treffen zwischen Selenski und Trump, das erste seit September 2019, nicht zustande.

Auf den ersten Blick ist das nicht weiter erstaunlich. In der Beziehung zwischen Selenski, Präsident seit Frühjahr 2019, und Trump, Präsident von 2017 bis 2021, ist schon lange der Wurm drin. Vor fünf Jahren stand der Ukrainer im Zentrum des politischen Feuersturms, der im ersten Amtsenthebungsverfahren gegen den damaligen Präsidenten Trump endete.

Und seit Beginn der russischen Invasion vor zweieinhalb Jahren äusserten sich führende Vertreter der Republikanischen Partei skeptisch über eine anhaltende finanzielle Unterstützung der Ukraine. Einer dieser Skeptiker, der Senator JD Vance aus Ohio, ist nun der Vize von Donald Trump.

Trump lobt russische Kampfkraft

Der Ex-Präsident wiederum mag konkrete Vorstellungen haben, wie er den Krieg nach einem Wahlsieg beenden möchte. Öffentlich macht er dazu aber nur Andeutungen. So sagte er diese Woche während einer Wahlkampfrede in Savannah, Georgia: «Ich werde es erledigen, ich werde darüber verhandeln, ich werde rausgehen.»

Wie so häufig, wenn Trump über ein Thema spricht, das nicht zu seinen Kerninteressen zählt, ist die Bedeutung dieser Worte interpretierbar. Klar ist, dass ihm ein Verhandlungsfrieden vorschwebt, ein historischer Händedruck zwischen Selenski und Russlands Präsident Wladimir Putin. Und klar ist auch, dass Trump der Meinung ist, er besitze die notwendigen Druckmittel, um eine solche Lösung zu erzwingen. Nötigenfalls würde er wohl ganz einfach die amerikanischen Waffenlieferungen an Kiew einstellen und die Ukraine zu Gebietsabtretungen zwingen.

Weil Trump solche Aussagen häufig mit Lob für die Russen verbindet – «sie schlugen Hitler, sie schlugen Napoleon, das ist es, was sie tun» –, vermittelt er den Eindruck, das Schicksal des überfallenen europäischen Landes interessiere ihn nicht. Vielmehr behauptet er, Joe Biden sei für den Krieg verantwortlich. Zudem umgibt Trump sich mit Einflüsterern wie Viktor Orbán oder Elon Musk, die sich in den vergangenen Monaten und Jahren nicht unbedingt als Freunde der Ukraine profiliert haben.

Selenski will Biden und Harris «Siegesplan» präsentieren

Aber vielleicht spricht der Republikaner auch ganz einfach aus, was viele Politiker in Washington denken: Nach zweieinhalb Jahren haben viele Amerikanerinnen und Amerikaner das Interesse am blutigen Konflikt in Europa verloren. Sie wollen keine weiteren Mittel für den Krieg in der Ukraine bewilligen, nachdem der Kongress bisher grünes Licht für Kredite von rund 174 Milliarden Dollar gegeben hat. Und sie finden, dass die grossen europäischen Länder mehr Verantwortung übernehmen müssten.

In einer Waffenfabrik in Scranton, Pennsylvania, setzte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Sonntag seine Unterschrift auf den Stahlmantel eines Haubitzen-Geschosses.
Bild: AP

Selenski scheint bemerkt zu haben, dass die amerikanische Kriegsmüdigkeit sich nicht nur unter Republikanern breitmacht, sondern auch bei Demokraten langsam spürbar wird. Deshalb trifft er am Donnerstag in Washington Präsident Biden und Kamala Harris, die Präsidentschaftskandidatin der Regierungspartei. Er will den führenden Demokraten seine Ideen für die nächsten Kriegsmonate präsentieren, die er als «Siegesplan» bezeichnet.

Natürlich werden Biden und Harris bei dieser Gelegenheit versichern, dass sie die Ukraine weiterhin unterstützten und Russlands Aggression verurteilten. Sie können nicht anders, schliesslich kann kein aufrechter Demokrat das Vorgehen Putins gutheissen. Aber einer Präsidentin Harris würde es wohl schwerfallen, im nächsten Jahr Mehrheiten für ein neues Waffenpaket im Kongress zu organisieren. Das muss Selenski zu denken geben.