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Sarco: Lasst sie sterben, aber bitte human!

Die Sterbemaschine Sarco hat eine Debatte entfacht. Gut so. Auch wenn die Schweiz eines der liberalsten Gesetze zur Sterbehilfe hat, sind wir noch nicht weit genug.

Violett ist die Farbe der Hoffnung und der Würde. Der violette Kunststoffsarg Sarco löst bei vielen aber vor allem Mulmigkeit oder Entsetzen aus. In einem Waldstück in Schafhausen starb darin am Dienstag kurz vor 16 Uhr eine Frau – zuvor hat sie einen Knopf gedrückt und Stickstoff in den Sarg strömen lassen.

Dem Tod blicken wir nie gerne ins Auge. Doch hier sehen wir tiefer und gleichzeitig in die Leere, durch die Glasscheibe ins Innere einer Sterbemaschine, mit der jeder, der will, auf Knopfdruck gehen kann. Der Preis dafür: 18 Franken. So viel kostet das tödliche Gift. Plus die Kosten für die Beerdigung.

Gestorben wird auf persönlichen Wunsch, alleine, abgekapselt von Welt und Mitmenschen. Den Segen eines Arztes braucht es nicht – anders als bei traditionellen Sterbehilfeorganisationen wie Exit. So geht der in der Individualgesellschaft gross gewordene Mensch auf seine letzte Reise. Einsam.

Doch halten wir kurz inne. Ist das wirklich so schlimm? Der Mensch strebt ein Leben lang nach Autonomie. Er soll sein Leben – ohne anderen zu schaden – so leben können, wie er will und es für gut hält. Warum soll er nicht auch so sterben können, wann und wie er will? Auf jeden Fall scheint es weitaus humaner, in einem Sarco für immer einzuschlafen, als sich einen Strick um den Hals zu legen.

Natürlich darf mit dem Sterben kein Geschäft gemacht werden, so steht es auch im Gesetz. Und es soll möglichst schmerzlos sein. Wie sehr das auf den Tod durch Stickstoff zutrifft, darüber sind sich Experten nicht einig. Und das ist der erste wunde Punkt der aalglatten Suizidkapsel.

Der zweite: Der Mensch ist nicht nur ein Vernunftwesen und stets Herr über seine eigenen Wünsche und Intentionen, sondern wird auch von Emotionen durchflutet. So muss es in seinem eigenen Interesse sein, dass er sich nicht aus einer Laune heraus umbringt (wenn das überhaupt einer tut). Dass jemand also Sterbehilfe in Anspruch nehmen darf, sollte ein konstanter Wunsch vorhanden sein, aus dem Leben zu scheiden zu wollen. Bei traditionellen Schweizer Sterbehilfeorganisationen soll dies ein Arzt gewähren. Bei Exit International, der Organisation des Sarco-Erfinders Philipp Nitschke, wird diesem Umstand zu wenig Rechnung getragen.

Es gibt also durchaus moralische Gründe, die auch in einer aufgeklärten, liberalen Gesellschaft gegen den Einsatz des Sarcos sprechen. Dies vor allem, weil es in der Schweiz anerkannte Organisationen gibt, die Menschen würdevoll in den Tod begleiten. 1594 Menschen nahmen diesen Dienst nahmen 2022 in Anspruch. Dabei aktiviert der Sterbewillige entweder eine Invasion oder trinkt ein tödliches Gift. Experten sind sich einig, dass man so ohne grosse Schmerzen zu erleiden sterben kann. Ausserdem können Familienangehörigen einem die Hand halten – was sehr viele Menschen wollen.

Vermutlich bieten Exit und Co. die besterprobte und würdevollste Möglichkeit an, wie man aus eigenem Antrieb aus dem Leben scheiden kann. Und so stellt sich die Fragen, warum die gut inszenierte PR-Aktion um den Sarko in der Schweiz überhaupt verfängt und wieso sich jährlich rund tausend Menschen ohne Sterbehilfe das Leben nehmen.

Auch wenn die Schweiz eines der liberalsten Gesetze für Sterbehilfe hat, ist es offenbar nicht liberal genug. Oder aber, es wird nicht gut genug umgesetzt. Zu oft wird der Sterbewunsch nicht erfüllt, weil ein Arzt die Verantwortung nicht auf sich nehmen will. Je jünger und je (objektiv) gesünder die Menschen sind, desto grösser sind die Hürden. Und dann gibt es jene, die gehen wollen, oft alt und schwach, aber von ihrer Familie zurückgehalten werden.

In einer wirklich liberalen und aufgeklärten Gesellschaft wäre Sarco keine Provokation. Er würde weder Mulmigkeit noch Entsetzen auslösen. Es würde ihn schlicht nicht brauchen.