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150’000 Liter pro Jahr: So wird aus Äpfeln und Birnen Seetaler Most

Bei der Kundenmosterei Halter in Beinwil am See gibt es im Herbst auch 16-Stunden-Tage. Ein Augenschein.

Herbstzeit ist Erntezeit. Vielerorts fällt dieses Jahr die Obsternte besonders üppig aus. Wohin mit den Äpfeln, den Birnen? «Wir haben Apfelmus gemacht, Kuchen, viele gegessen, aber es bleiben noch zu viele, vor allem, wenn man sie nicht lagern kann», sagt Stephan Halter aus Oberkulm. Das Obst an den Bäumen zu lassen, damit es später fällt und am Boden verrottet, kommt für ihn nicht in Frage. Und auch seine vier Esel werden so viel Obst nicht Herr. Die Lösung liegt im Seetal: die Kundenmosterei Halter in Beinwil am See.

Mit einem Unimog S, einst mit Blaulicht ein Fahrzeug der Ölwehr im Kanton Graubünden, fährt er das Obst, 30 Harassen voll, ins Seetal, wo Christian Halter, 53, es mit seinem Team verarbeitet. Sohn Merlin, 19, sozusagen der Juniorchef, hilft mit, aus den angelieferten Früchten leckeren Süssmost zu zaubern. «Im Schnitt produzieren wir pro Jahr etwa 150’000 Liter», sagt Christian Halter. Merlin, angehender Landschaftsgärtner, hat extra Ferien bezogen, weil er gerne im Betrieb, den er von Kindsbeinen an kennt, mitarbeitet: «Mein Vater hat mich immer mitgenommen.»

Wer viel anliefert, bekommt Saft aus eigenen Früchten

Die 30 Harassen Grafensteiner, Glockenäpfel, Sauergrauech und andere Sorten werden auf ein Förderband geleert und der Weiterverarbeitung zugeführt. Bevor sie zur Maische gemahlen und dann gepresst werden, steht ein Waschgang an. Sollten sich noch angefaulte Früchte darunter befinden, entfernen flinke Finger sie. «Es gibt kaum mehr Faule, denn wer sie anliefert, sortiert sie vorher selber», weiss Merlin.

Kunde Stephan Halter leert das Obst aufs Förderband.
Bild: Peter Weingartner

Stephan Halter ist nicht Obstbauer; er arbeitet im Maschinenbau. Und es sind nicht nur seine Früchte, die er anliefert; vielmehr transportiert sein roter Unimog das Obst der Nachbarschaft mit. Der Vorteil: Wer grössere Mengen bringt, erhält den Saft seiner Früchte, wenn mit der Lieferung eine Presse gefüllt werden kann. Konkret: Er kann der Saft der Oberkulmer Äpfel, angereichert mit zwei Harassen Birnen und einer Harasse Quitten, zurück ins Wynental führen. Umgekehrt heisst das: Kleinmengen gehen in Halters eigenem Most aus dessen 240 Hochstammbäumen auf. Wer wenig bringt, bekommt seinen Anteil an der Assemblage.

Maschinen von Schlör arbeiten weiter

Ein Ahnenforscher hat herausgefunden, dass Halters seit 1807 in Beinwil am See wirken. Christians Grossvater sei ein Pionier in der Kunst der Haltbarmachung gewesen. Bis 1971, dem Geburtsjahr von Christian Halter, produzierte die Familie im Dorfzentrum, seither an der Hombergstrasse. Das Innenleben des Betriebs beeindruckt. Da sind die Abfüllmaschinen mit unterschiedlichen Deckeln und Flaschengrössen, die Halters zum Teil von der Firma Schlör in Menziken übernommen haben. «Pro Stunde können da 1200 Liter- oder 2500 Halbliterflaschen abgefüllt werden», sagt Christian Halter. Da sind aber auch die Tanks, sechs fassen je 3000 Liter; als Reserve gibt’s noch kleinere mit 1000 Litern Fassungsvermögen.

Merlin Halter schaufelt den Trester um. Dieses Restprodukt nach der Pressung geht als Tierfutter zurück in die Landwirtschaft.
Bild: Peter Weingartner

Der Trester, das Restprodukt nach der Pressung, geht als Tierfutter zurück in die Landwirtschaft. Merlin greift mit einer Hand hinein in die braune Masse, zerreibt sie fachmännisch: «Er darf nicht zu feucht sein; das hiesse, dass noch Saft drin ist.» Nicht nur Vater Christian ist beschäftigt, auch telefonisch oder wenn ein kleinerer Moster aus der Umgebung bei Halters Kartons holt für seinen Saft. Zum Team gehören ebenfalls ein Zivildienstleistender, ein Praktikant und ein Helfer, der einspringt, wenns nötig ist.

Hochprozentiges? «Können andere besser»

Süssmost ist verderbliche Ware. In den grossen Tanks hat er Zeit, den «Trueb», also die trübenden Partikel im Saft, zu Boden sinken zu lassen. Innerhalb von zwei Tagen muss der Most verarbeitet werden, damit er nicht zu gären beginnt: Am Dienstag wird gemostet, am Mittwoch pasteurisiert. Strenge Zeiten mit langen Arbeitstagen. Warum keine Gärmoste oder Hochprozentiges? «Das können andere besser», winkt Christian Halter ab. Immerhin: Ein «Pommes Mousseux» mit sieben Prozent Alkoholgehalt steht im Sortiment. Das Keltern übernimmt ein Weinbauer.

Halter stellt zwar keinen Cider her, wartet aber mit überraschenden Säften auf. Nebst Seetaler Apfelmost gibt es den Seetaler Birnensaft und zwei Süssmostkreationen: mit Cassissaft und mit Ingwer sowie einem Schuss Zitrone. Ist da ein Ausbau mit weiteren Aromen im Busch? Christian Halter schmunzelt vielsagend: «Es ist noch nicht spruchreif.»

Überraschende Säfte: Blick auf die Produktepalette.
Bild: Peter Weingartner