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Lust auf ein Praktikum in einem Bordell? – Dieses Kampagnenvideo rüttelt auf

Die Frauenzentrale Zürich und die Organisation Heartwings zeigen in einem Video, wie absurd die Behauptung ist, Prostitution sei ein ganz normaler Job.

Es tönt zuerst wie ein attraktives Stelleninserat: «Du suchst ein Praktikum mit flexiblen Arbeitszeiten und viel Kundenkontakt?», fragt eine junge Frau in die Kamera. «Bei uns dreht sich alles um Human Resources mit Expats aus der ganzen Welt.» Dass dieses Praktikum vielleicht doch kein alltägliches ist, wird klar, als die Frau – offensichtlich an der Rezeption eines Rotlicht-Etablissements – sagt: «Momentan bauen wir unser Geschäftsfeld Menschenhandel aus. Sprachen sind egal. Je weniger, desto besser.»

Es ist denn auch keine echte Werbung für ein Praktikum in einem exklusiven Bordell, «wo man auch als Praktikantin ab Tag eins alles machen darf». Es ist ein Kampagnen-Video der Frauenzentrale Zürich und des Vereins Heartwings, der Frauen beim Ausstieg aus der Prostitution hilft.

Die beiden Organisationen wollen damit verdeutlichen, dass Prostitution keine freie Entscheidung sei, sondern eine Form von Ausbeutung. Laut der Frauenzentrale und Heartwings würden 98 Prozent der Frauen aus diesem Job gerne aussteigen, wenn sie könnten.

«Du weisst nie, was passiert»

Eine rumänische Prostituierte, die zu Heartwings kam, sagt dazu: «Für mich war es nur Stress. Immer. Ich hatte keine Zeit für mich. Kein Leben. Und immer Angst. Angst vor dem nächsten Freier. Du weisst nie, was passiert. Ständig ist der Puls hoch. Denn manche Männer denken, weil sie bezahlt haben, können sie alles mit dir machen. Findest du das eine normale Arbeit? Warum sagen die Leute das?»

Das Sexgewerbe generiert in der Schweiz geschätzt zwischen 1 bis 3,5 Milliarden Franken Umsatz im Jahr. Diejenigen, die sich prostituieren, sind meist Migrantinnen. «Armut, Perspektivlosigkeit und Zuhälter drängen diese Frauen in die Prostitution», schreiben die beiden Organisationen.

«Prostitution ist kein Leben», sagt die rumänische Prostituierte weiter. «Der Stress ist: Verdiene ich genug Geld? Kann ich das Zimmer bezahlen oder muss ich auf der Strasse schlafen? Was esse ich? Wie viel kann ich meiner Familie schicken? Da war kein Moment der Freude. Keine Stabilität. Mein ganzer Körper schmerzte. Und auch der Kopf. Weisst du warum? Weil du etwas machst, was du nicht tun willst.»

Wartelisten für Ausstiegsprogramm

Prostitution sei keineswegs selbstbestimmte Arbeit, schreiben die Organisationen. Die Betroffenen würden überdurchschnittlich oft an posttraumatischen Belastungsstörungen leiden und werden neunmal häufiger vergewaltigt als Frauen, die nicht im Sexgewerbe arbeiten. «Prostitution ist keine normale Arbeit. Prostitution ist das Produkt eines patriarchalen Systems, in dem Männer sich den Zugang zum Körper einer Frau kaufen können», sagt Jael Schwendimann vom Verein Heartwings. «Es kann doch nicht sein, dass man sich einfach eine Frau kaufen gehen kann, wenn man Lust hat.»

Der Verein bietet seit 2021 Ausstiegsprogramme für jeweils fünf Frauen auf einmal an, die in der Reinigung arbeiten können oder eine Ausbildung beginnen und eine Wohnung bekommen. Die Warteliste umfasse jedoch über vierzig Prostituierte, sagt Schwendimann. «Mehr können wir aber nicht aufnehmen, weil ein solcher Platz pro Jahr über 60’000 Franken kostet.»

Solche Ausstiegshilfen für Prostituierte, die nicht nachweisen können, Opfer von Menschenhandel geworden zu sein, sind dünn gesät in der Schweiz. Bei nachgewiesenem Menschenhandel bietet beispielsweise die Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) Hilfe an.