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Auto illegal durchsucht: Obergericht rüffelt Aargauer Kantonspolizei – obwohl sie einen Schlagstock fand

Ein Aargauer Kantonspolizist fand bei einer Verkehrskontrolle in einem Auto einen verbotenen Teleskopschlagstock. Der Lenker kommt allerdings ohne Strafe davon. Die Durchsuchung war in diesem Fall illegal, weil kein Anfangsverdacht vorlag, hält das Obergericht fest.

Es war anfangs eine Verkehrskontrolle wie viele andere an jenem Dienstag im August 2023: Die Kantonspolizei hält um 23.45 Uhr ein Fahrzeug an, an dessen Lenkrad ein Mann mit Jahrgang 2002 sass. Er muss sich einem Drogen- und Alkoholtest unterziehen.

Trotzdem durchsucht ein Polizist das Auto. Er schaut nach, was sich im Seitenfach, im Handschuhfach, im Fussraum unter den Sitzen und im Kofferraum befindet. Im Ablagefach der Fahrertüre findet der Polizist einen Teleskopschlagstock. Geschlossen ist dieser 23,5 Zentimeter, geöffnet 55,5 Zentimeter lang. Der Drogen- und Alkoholtest ist unterdessen negativ ausgefallen. Der Fahrer hatte den Schlagstock von Deutschland in die Schweiz eingeführt. Die Einfuhr wie auch der Besitz einer solchen Waffe ist verboten.

Staatsanwaltschaft will Mann verurteilen

Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau verurteilte den Lenker per Strafbefehl vom September 2023 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Waffengesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 4400 Franken (40 Tagessätze à 110 Franken) und zu einer Busse von 1100 Franken.

Doch der heute 22-Jährige reichte eine Einsprache gegen den Strafbefehl ein. Es habe kein Anfangsverdacht vorgelegen, der für eine Personenkontrolle und damit für die Durchsuchung des Autos notwendig gewesen wäre, brachte er vor dem Bezirksgericht Aarau, der nächsten Instanz, vor. Dieses sprach den Mann frei.

Dagegen wiederum reichte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein. Ohne Erfolg allerdings. Das Obergericht hat sie abgewiesen. Und nun liegt sein schriftliches Urteil vor. Die Durchsuchung des Fahrzeugs war illegal, schreibt das dreiköpfige Richtergremium darin. Es habe kein dafür notwendiger Anfangsverdacht vorgelegen. Deshalb könnten der Teleskopschlagstock sowie die Einvernahme des Beschuldigten nicht als Beweise für die vorgeworfenen Straftaten verwertet werden. Der Beschuldigte müsse mangels Beweisen freigesprochen werden. Bei einer schweren Straftat, einem Verbrechen wie Mord oder Totschlag, wären die Beweise dagegen anerkannt worden.

Gericht sieht keine Gefahr in Verzug

Die Staatsanwaltschaft hatte die Durchsuchung des Fahrzeugs unter anderem mit Gefahr in Verzug begründet. Dafür sieht das Obergericht aber keine Anhaltspunkte. Es reiche nicht, dass die Polizei später eine Waffe im Fahrzeug entdeckte. «Damit würde jede Beweiserhebung, auch eine unzulässige ‹fishing expedition› gerechtfertigt, sofern sich dabei Beweise haben feststellen lassen», schreibt das Obergericht im schriftlichen Urteil. «Diese Argumentation der Staatsanwaltschaft verfängt somit nicht.»

Es gebe auch keine Hinweise auf einen Verdacht, dass der Beschuldigte Betäubungsmittel im Auto mitgeführt haben könnte. Schliesslich habe er beim Drogen- und Alkoholtest mitgewirkt.

Die Polizei darf nicht ohne Grund eine Personenkontrolle durchführen. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt ein spezifischer Anfangsverdacht etwa vor, wenn sich eine Person auffällig verhält. Bei einer solchen Kontrolle müssen sich Personen ausweisen, den Inhalt ihrer Hose- und Jackentaschen vorlegen. Haben sie einen Koffer dabei und sind sie mit einem Auto unterwegs, müssen sie diese der Polizei öffnen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig – mit Ausnahme eines Punktes: Dass der Teleskopschlagstock vernichtet wird, ist unbestritten. Auch der Beschuldigte hat dies akzeptiert.

Urteil: SST.2024.62.