Regierungsrat lehnt Sofortmassnahmen für Suchtkranke ab: Geld und Trägerorganisation fehlen
Die verschiedenen Drogenszenen im Aargau beschäftigen nicht nur Gross-und Regierungsrat, sondern auch die Lokalpolitik.Am Freitagabend wurde im Brugger Einwohnerrat eine Motion der SP-Fraktion betreffend Soforthilfe für suchtkranke Menschen im Kanton Aargau für dringlich erklärt und mit 37:7 Stimmen überwiesen. Der Stadtrat ist nun aufgefordert, «mit Unterstützung des Kantons und anderen Gemeinden mit Zentrumsfunktion im Aargau im Bereich der Schadensminderung und Risikominimierung ein Pilotprojekt zur Schaffung einer niederschwelligen Kontakt- und Anlaufstelle mit Konsumraum und Essensabgabe für suchtkranke Menschen zu initiieren und mitzutragen».
Der grosse Handlungsbedarf bei der Schadensminderung ist im Aargau unbestritten.Das zeigte sich auch Ende Juni am mit ausgewiesenen Fachleuten besetzten Podium zur Drogenszene, das von der FDP Bezirk Brugg organisiert wurde. Bruggs Vizeammann und Grossratskandidat Reto Wettstein (FDP) hielt dort fest: «Wir brauchen so schnell wie möglich eine Lösung, die funktioniert. Bei diesem Thema müssen wir klotzen, nicht kleckern.»
Konsumraum schon auf Anfang 2025 gefordert
Schneller als die FDP war dann die SP. Grossrätin Lelia Hunziker reichte am 2. Juli eine entsprechende Motion ein. Mit dieser sollte der Regierungsrat aufgefordert werden, «auf Anfang 2025 Massnahmen wie zum Beispiel Kontakt-, Konsumations- und Anlaufstellen, Koordination und Unterstützung der kommunalen Angebote, aufsuchende Beratung inklusive niederschwellige Gesundheitsversorgung, Gassenküchen und Notschlafstellen zur Unterstützung und Beratung von suchtmittelabhängigen Menschen bereitzustellen».
Die Motionärin bezieht sich auf das Vier-Säulen-Prinzip der Schweizer Drogenpolitik mit Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression und die fehlenden niederschwelligen Angebote im Aargau. «Gemeinden mit Zentrumsfunktion sind gefordert und auf sich allein gestellt, weil seitens Kantons die Verantwortung nicht übernommen wird», so Sprecherin Lelia Hunziker. Es gebe eine Bedarfs- und Angebotsanalyse Suchthilfe Kanton Aargau von Interface aus dem Jahr 2021.
Am 25. September lehnte der Regierungsrat die Motion ab. In seiner Begründung erwähnt er die am 11. Juni 2024 vom Grossen Rat verabschiedete Gesundheitspolitische Gesamtplanung (GGpl) 2030. In diesem Zusammenhang plane das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) auch die kantonale Rechtsgrundlage im Bereich Sucht zu überprüfen und mit den bundesrechtlichen Vorlagen zu harmonisieren.
DGS startet Arbeitsgruppe Schadensminderung
Nach der Analyse von 2021 ist der Zugang zur Suchthilfe erleichtert und die jährliche Unterstützung von 150’000 Frankenan die Notschlafstelle Badeneingeführt worden. Dieses Jahr zahlte das DGS dieBedarfsanalyse «Schadensminderung Brugg/Windisch». Die beiden Hauptempfehlungen daraus sind die Schaffung einer Kontakt- und Anlaufstelle mit Konsumraum sowie eine weitere Notschlafstelle.
Bis Mitte 2025 soll eine kantonale Suchtstrategie vorliegen. Erste Schwerpunkte wurden bereits festgelegt. Die Umsetzung sofortiger schadensmindernden Massnahmen auf Anfang 2025 ist laut dem Regierungsrat nicht realisierbar, weil sie einer sorgfältigen Vorbereitung bedarf. Zudem müssten die Kosten für den Betrieb von Kontakt- und Anlaufstellen budgetiert sowie eine Trägerorganisation mit ausgebildetem Fachpersonal definiert werden. Das Beispiel der Stadt Chur zeige, dass allein die Umsetzung eines überwachten Konsumraums zwei Jahre benötigt habe, so der Regierungsrat. Aus all diesen Gründen will er am bereits in die Wege geleiteten Vorgehen festhalten.
Bruggs Vizeammann Reto Wettstein sagte am Freitag, die Leitung Fachstelle Sucht beim DGS habe zur Bildung einer Arbeitsgruppe Schadensminderung eingeladen. Die erste Sitzung finde am 11. November statt. Nichtsdestotrotz wird auch der Einwohnerrat Windisch an seiner Sitzung vom 23. Oktober – wie in Brugg – über die Dringlichkeit einer entsprechenden Motion von der SP entscheiden.