Spende an den Tierschutz statt einer Busse: Richter brachte Streithähne nach Hundebiss zur Vernunft
«Donnerwetter noch mal, hier rede nur ich oder diejenige, der ich das Wort erteile», sprach Richter Daniel Peyer und schlug mit der Faust auf den Tisch. Schlagartig brach das laute Gekeife zwischen Elvira (alle Namen geändert) als Beklagte und Fatmire als Klägerin ab. Zwei Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können: Elvira, 48-jährig, schlank, trendig gefärbte Kurzhaarfrisur, neonfarbene Sneaker. Fatmire, 26-jährig, eher mollig, langes dunkles Haar, einfacher Pulli und weisse Sneaker.
Zufällig und zum ersten Mal überhaupt sind sich die beiden Anfang Oktober des vergangenen Jahres morgens um 10 Uhr auf dem Trottoir der Hauptstrasse einer grösseren Ortschaft begegnet. Fatmire und ihre Schwägerin waren mit ihren Kinderwagen unterwegs, als ihnen Elvira und ihre Tochter mit zwei Hunden entgegenkamen, wobei der Teenager den kleinen Mischling «Rocky» an der langen Leine führte. «Wir haben Platz gemacht, sind etwas zur Seite gegangen und stehen geblieben», so Fatmire. «Ich habe meiner Tochter gesagt, sie müsse den Hund richtig festhalten», so Elvira.
Doch dann passierte es: «Rocky» sprang an Fatmire hoch und packte sie kurz am Oberschenkel. «Der Hund hat mich gebissen. Gross Schmerzen hatte ich im ersten Moment nicht, aber gespürt habe ich es schon – und auch noch zwei oder drei Tage danach», sagte das Opfer vor Gericht. «Ich habe mich sofort bei der jungen Frau entschuldigt, und sie hat auf meine Frage, ob etwas passiert sei, gesagt, alles sei gut.»
Rededuell steigerte sich zu verbalem Schlagabtausch
Fatmire aber ging zum Arzt – «er stellte ein Hämatom fest» – und dann zur Polizei. Gut drei Monate später flatterte Elvira ein Strafbefehl wegen Widerhandlung gegen das Hundegesetz und Körperverletzung, beides fahrlässig begangen, ins Haus. Sie sei mit 900 Franken Geldstrafe bedingt sowie 300 Franken Busse zu bestrafen. Nunmehr sprang offensichtlich Elvira, wie damals «Rocky», hoch – sie aber an die Decke. Jedenfalls erhob sie umgehend Einsprache.
So sahen sich die beiden Frauen denn vor dem Bezirksgericht Baden wieder, wo sie in gebührendem Abstand zueinander Platz nahmen. Kaum hatte Richter Peyer die ersten Fragen zur damaligen Situation gestellt, begann zwischen den beiden Frauen ein Rededuell, das sich innert Kürze zu einem verbalen Schlagabtausch steigerte.
Besonders die Frage des Richters nach den genauen Positionen der Kontrahentinnen im Moment des Vorfalls löste hitzige Wortgefechte aus. Dabei wurden die Stimmen der beiden Damen immer schriller und steigerten sich zu derart gehässigen Monologen, dass Peyer schliesslich Einhalt gebot.
In aller Ruhe richtete er dann das Wort an die Beklagte und Klägerin: «Wie wäre es, wenn Fatmire von der Anzeige Abstand nehmen und Sie sich die Hand geben würden? Und weil ‹Rocky› zugebissen hat, lässt Elvira statt einer Busse dem Aargauischen Tierschutz 100 Franken zukommen?» Beide Frauen seufzten kurz, nickten, gaben sich kurz die Hand und zogen von dannen.