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Happy Birthday, Donald!: Die Welt hat einen Vogel und feiert ihn

Donald Duck ist ein moderner Wutbürger und ein Pechvogel mit schlechter Laune. Disneys populärste Ente erhält zum 90. Geburtstag die ultimative Quack-Bibel. Was geht sie uns heute an?

Uff, was schenkt man einem 90-jährigen zum Geburtstag? Ächz, wenn es sich beim Jubilar um eine Ente handelt. Ein Prachtband, fünf Kilo schwer, weniger geht in diesem Fall nicht, stöhn.

Das Gespräch, uff, ächz, stöhn, in der Kölner Chefetage des schrillsten Verlags der Welt kann sich ungefähr so abgespielt haben. Benedikt Taschen, der Mastermind hinter dem gleichnamigen Unternehmen, das mit seinen schwergewichtigen Kunstbänden sonst Arnold Schwarzenegger oder Leonardo Da Vinci ein Denkmal setzt, liebäugelt mit Populärem: Taschen ist seit Kind ein bekennender Donald-Verehrer. Die Geschichte besagt, dass die Gründung seines Verlags anfangs nur ein Ziel verfolgt haben soll. Er wollte seine persönliche Comic-Sammlung zu Geld machen. Dann begann er, statt Comics zu sammeln, Comics zu verlegen. Ohne Cartoons, kein Taschen-Verlag.

Also musste zum 90. Geburtstag seines Idols Donald eine Liebesbekundung auf den Büchertisch. Der langjährige Art Director von Disney, Ulrich Schröder, stieg dafür tief in die Disney-Archive. Sieben Millionen Bilder sollen er und seine Cracks gewälzt haben. Das Ergebnis des mehrjährigen Grabens und Schürfens liegt bald auch als deutschsprachige Ausgabe vor. Es ist eine Publikation, bei dem alle Augen feucht werden und Donaldisten schwärmen: die ultimative Donald-Duck-Geschichte, erzählt mit aberhundert, darunter 300 unveröffentlichten Story-Boards, Zeichnungen und Schnappschüssen des Donald-Zeichners und «Duck-Man» Carl Barks.

Entenmann, Donald-Erfinder und Disney-Zeichner Carl Barks in seinem Atelier in Kalifornien (1962). Im Schrank hinter ihm sicherte er und sammelte er alle Donald-Comics.
Bild: Glenn Bray collection

Wie in einem Disney-Film blättert man sich durch das üppige Konvolut – und wettet: Die Bibel zur Ente Donald wird im amerikanischen Herbst in puncto Popularität der Polit-Karikatur Donald den Rang ablaufen. Vereinnahmt von seinen Fans und längst auch von Hochschuldebatten über den Mythos ist aus King Donald ein Popstar geworden. Bestätigt mit einem Stern auf dem Hollywood Walk of Fame.

Schnäbeln unerwünscht, die Ente muss weg

Donald Duck, die bekannteste anthropomorphe Ente, erblickte 1931 in einem Mickey-Mouse-Heft zum ersten Mal das Licht der Welt. Damals eine Nebenfigur, das Interesse an ihr war gering. Die Ente besass einen tierisch langen Schnabel und lebte mit ihrer Familie auf einem Hausboot. Klein-Donald trug einen Matrosenanzug wie verwöhnte Kinder in begüterten Verhältnissen und wurde von einer ehrgeizigen Mutter an der Hand ins Bild gezerrt.

Bis die Figur schliesslich ihre definitive Form fand, ging sie von einer (Zeichner-)Hand zur nächsten. Erst als Disney beschloss, Donalds Geburtstag auf einen 13. zu legen, um zu erklären, weshalb an der Ente Pech klebt, schien Amerika ihn zu verstehen. Seit 1934 im Look, den wir kennen, kurz der Schnabel, kaum mehr eine Ente, aber doch unverkennbar Donald.

Der bekam bald eine eigene Trickfilmreihe und startete seinen Eroberungszug durch die Kinderzimmer und auf die Bildschirme der Welt. Bis heute zählt das Gesamtkunstwerk Donald, Filmstar, Comic-Ikone und Merchandising-Produkt, zu den meistbeschäftigten Disney-Figuren überhaupt.

Donald ist Choleriker, seine Rechte schlägt schon mal zu – doch meistens daneben. Diesen Look trägt er 1940 im ersten standardisierten amerikanischen Comic-Buch.
Bild: Courtesy Heritage Auctions

Das Making- of eines Pechvogels

Donald, Erpel, geboren am 13. Juli 1934, wohnhaft in Entenhausen. Besondere Kennzeichen: viele. Beruf: täglich wechselnd. Hobby: Pfannkuchen, Maiskolben mit Butter, Hängemattenliegen. Gemütszustand: reizbar. Würde man eine Typologie für seine Verfassung nach heutigen Massstäben benennen, dann hiesse sie: Wutbürger. Donald Duck ist ein moderner, frustrierter Mensch. Und dauernd klamm.

Sein Zivilstand ist dauerverlobt mit Daisy Duck. Sein Erzrivale ist Glückspilz Gustav Gans. Die Familie besteht aus Dortel Duck, Degenhard Duck und Erbonkel Dagobert, dem hartherzigsten, doch reichsten Mann der Welt, «Zigzentrifugillionen»! Dagobert ist ein erpresserischer Tyrann und hat seinen Neffen unter der Knute, weil der eine lange Schuldenliste bei ihm hat. Donald kümmert sich um seine Neffen, Tick, Trick und Track. Sein Herzenswunsch ist: Er möchte um alles in der Entenhausener-Welt ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft werden.

Der Steckbrief des hosenlosen Enterichs klingt nicht zufällig menschlich. Als Walt Disney zum ersten Mal an seiner Erfindung sinnierte, wollte er einen Gegenspieler zum braven Buben Mickey kreieren. Die Maus war wohl ein Sympathieträger, aber irgendwie doch auch ein Langeweiler. Sollte man den Bürgerinnen und Bürgern Amerika nicht ein Wesen an die Seite stellen, das für sie das Ungezügelte, Ungehörige übernahm? Schlechte Laune, Jähzorn. Eine Ablass-Ente, sozusagen, eine Möglichkeit zur ungefährlichen Identifikation.

Dieser Donald passte bald auch zur kriegerischen Haltung der Nation. Streitsüchtig, wie er war, schien er den Disney-Studios der richtige Repräsentant während der Kriegsjahre zu sein. Schräge Figuren wie Bugs Bunny und Woody Woodpecker taten es ihm gleich. Doch keine so erfolgreich wie er.

Ein langschnabeliger Ur-Donald bei seinem ersten Auftritt im Comic-Buch mit Mickey Mouse 1931.
Bild: Disney Enterprises

Und menschenähnlich dazu. Einen hartherzigen Erbonkel hat jeder, besserwisserische Verwandtschaft wie Tick, Trick, und Track ist keine Seltenheit, auch ein Vetter wie Glückspilz Gustav Gans ist nichts Ungewöhnliches. Eine unerfüllte Liebe wie die zu Daisy sorgt für Empathie. Disney schrieb Donald Duck das Schicksal eines Pechvogels unters Federkleid. Faustschwingend, im Kampf ums Geld, Liebe, Gerechtigkeit und Anerkennung. Im Hader mit der böswilligen Verwandtschaft: Donald ist everybody’s Duck.

Über drei Millionen Mal wurde die Auflage seiner Comicstrips zur Hochblüte in den frühen 1950er-Jahren verkauft. Heute sind die Erstausgaben bestimmter Jahrgänge der berühmten «Lustigen Taschenbücher» mit Mickey Mouse und der Entenfamilie Duck laut Bewertungsplattform comicguide.de Sammlerstücke. Mehrere tausend Franken wird man für sie los. Und Donald, uff, ächz, stöhn: Er hat heute mindestens so viele Gründe wie vor 90 Jahren, wütend auf seinen Nachbarn Zorngiebel zu sein, den Hund. Grenzkonflikte haben Konjunktur.