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Weitermachen wäre verantwortungslos: Das Ende der «Ampel» ist gut für Deutschland und Europa

Nach dem Bruch schieben sich Kanzler Scholz und FDP-Chef Lindner gegenseitig die Schuld zu. Doch warum eigentlich? Wer das Ende der «Ampel» herbeigeführt hat, hat dem Land einen Dienst erwiesen.

Womöglich hat Olaf Scholz am Mittwochabend die beste Rede seiner Kanzlerschaft gehalten – zu einem Zeitpunkt, da sich deren wahrscheinliches Ende bereits abzeichnet. Elan, Leidenschaft, ein Gefühl von Dringlichkeit – all das, woran es dem Sozialdemokraten nach Ansicht seiner Kritiker fehlt, zeigte er, als er mit Christian Lindner abrechnete, seinem Finanzminister, den er eben entlassen hatte.

Ob Scholz sich mit seinem plötzlichen Leidenschaftsausbruch einen Gefallen getan hat, ist eine andere Frage. Lindners FDP lieferte er womöglich ein Argument im Schwarzpeterspiel, das am Mittwochabend begonnen hat: Scholz’ Ansprache, so hiess es aus den Reihen der Liberalen, sei viel zu ausgefeilt gewesen, um als spontane Wutrede durchgehen zu können. Der Kanzler habe den Koalitionsbruch geplant.

Schuld am Ende der Regierung will keiner sein. Die Deutschen, so scheinen zumindest die Politiker zu glauben, sind viel zu sehr auf Ordnung und Stabilität bedacht, als dass sie denjenigen belohnen könnten, der einer Koalition den Todesstoss versetzt – und mag eine Regierung auch noch so schlecht funktionieren.

Deutschland steht vor einem Berg von Problemen

Tatsächlich spricht einiges dafür, dass es Lindner war, der den Bruch gesucht hat: Bereits letzte Woche stellte er wirtschafts-, sozial- und klimapolitische Forderungen, von denen er wusste, dass Sozialdemokraten und Grüne sie nicht akzeptieren würden.

Aber befindet sich Lindner deswegen im Unrecht? Ruhe und Stabilität sind kein Selbstzweck. Wenn ein Minister sieht, dass sich eine Regierung auf einem falschen Kurs befindet und dass er nichts daran ändern kann, ist es besser, aus einer Koalition auszusteigen als an der Macht zu kleben. Lindners wirtschaftspolitische Forderungen sind in der Sache grossteils richtig, auch wenn er wusste, dass ihre Verwirklichung im Rahmen der bestehenden Koalition unrealistisch war.

Nun wird Lindner Verantwortungslosigkeit vorgeworfen: Nachdem Donald Trump nochmals zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden sei, hätte die deutsche Regierung erst recht durchhalten müssen, um nicht noch mehr Verunsicherung entstehen zu lassen, argumentiert etwa der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck.

Tatsächlich sprichtTrumps Sieg eher für einen Regierungswechsel in Berlin als dagegen: Als Nationalist und Isolationist könnte er die Bundesrepublik zwingen, mehr für ihr Militär und für die Ukraine zu tun; zudem könnte er die EU mit einem Handelskrieg überziehen, der vor allem der exportorientierten deutschen Wirtschaft schaden würde. Um auf solche Herausforderungen aus Washington angemessen reagieren zu können, muss sich Deutschland in guter Verfassung befinden.

Dies ist derzeit nicht der Fall, woran nicht zuletzt die ideologiegetriebene Politik der «Ampel» schuld ist: Die Unternehmen ächzen unter der Steuerlast und klagen über eine ausufernde Bürokratie sowie hohe Energiekosten. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über Entlassungen berichtet wird, sei es in der Autoindustrie oder in anderen Branchen.

Besser spät das Richtige tun als gar nicht

Die Migrationskrise ist nach wie vor ungelöst. Dass Züge ihr Ziel zu spät erreichen, ist eher die Ausnahme als die Regel. Brücken bröckeln, manche Strassen sind von Schlaglöchern übersät. Und die Ertüchtigung der Bundeswehr, die Scholz nach Wladimir Putins Einmarsch in der Ukraine ankündigte, droht auf halbem Weg stecken zu bleiben.

Manches davon kann man Scholz’ Vorgängern Angela Merkel und Gerhard Schröder anlasten. Dass er in einer solchen Situation versuchte, den Status quo möglichst geräuschlos zu verwalten, muss man dem Kanzler allerdings ebenso vorhalten, wie sich Lindner fragen lassen muss, warum er dem so lange zugeschaut hat. Eines aber muss man dem FDP-Chef zugutehalten: Es ist immer noch besser, das Richtige spät zu tun als es gar nicht zu tun. Indem er die «Ampel»-Koalition von ihrem Siechtum erlöst hat, hat Lindner Deutschland und Europa einen Dienst erwiesen.