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Ein einzelner Wolf ist verantwortlich für 82 Risse: So verlief der Alpsommer 2024

M121 ist der derzeit gefährlichste Räuber der Schweiz. Mehrmals wurde er schon zum Abschuss freigegeben – noch ist er seinen Häschern entwischt.

Der Wolf mit der Bezeichnung M121 erstaunt sogar David Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz: «Mir ist kein anderer Wolf bekannt, der in so kurzer Zeit für so viele Risse verantwortlich ist.» 82 Nutztiere waren es in diesem Jahr, die M121 getötet hat. Damit geht jeder achte Riss auf das Konto dieses Wolfes.

Geboren ist er 2019 im Maircherux-Rudel in der Waadt. Später streifte er durch den Berner Jura, bevor er wieder ins Waadtländer Mittelland zurückkehrte. Mehrere Male wurde er bereits zum Abschuss freigegeben, noch ist M121 aber der Flinte entkommen.

Die hohe Zahl von Nutztierrissen durch einen einzelnen Wolf ist auch deshalb bemerkenswert, weil die Schadensbilanz der Wölfe 2024 wohl wiederum tiefer ausfällt. 658 Risse in den Kantonen Wallis, Graubünden, Waadt und Glarus von Anfang Jahr bis Ende Oktober bedeuten einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr von etwas mehr als zehn Prozent.

Das, obwohl die Wolfspräsenz in der Schweiz in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Die Zahlen haben verschiedene Umweltorganisationen wie Pro Natura, WWF, Birdlife und die Gruppe Wolf Schweiz unter Berufung auf kantonale Fachstellen veröffentlicht. Mittlerweile gibt es Nachweise für das derzeit grösste ansässige Raubtier der Schweiz in sämtlichen Kantonen ausser Basel-Stadt – und selbst dort tappte unweit der Schweizer Grenze im Landkreis Lörrach ein Wolf in die Fotofalle.

Run auf Patente im Wallis

Ob der Rückgang der Zahlen in Verbindung steht mit der im vergangenen Winter erstmals durchgeführten präventiven Wolfsjagd, ist gemäss den Naturschutzorganisationen unklar. Dafür brauche es Einzelfallanalysen, «am besten über mehrere Jahre hinweg», sagt Sarah Wehrli von Pro Natura. In der Medienmitteilung heisst es, dieser Abwärtstrend habe sich bereits im Sommer 2023 gezeigt, «also vor Beginn der hemmungslosen Wolfabschüsse letzten Winter».

Im vergangenen Jahr äusserten Umweltschutzorganisationen die Befürchtung, durch den Abschuss von Tieren eines bislang unauffälligen Rudels könnten Risse teilweise gar zunehmen, weil die Jungtiere das Jagen von ihren Leitwölfen nicht richtig lernen können. 51 Tiere Wölfe wurden in der vergangenen Wolfjagd erlegt – doch alleine im Kanton Graubünden kamen über 60 Welpen im darauffolgenden Frühling zur Welt.

Derweil haben die betroffenen Kantone die präventiven Abschüsse wieder aufgenommen. Im Wallis sind auch private Jäger dazu zugelassen: Medienberichten zufolge haben sich bis zu 1300 Personen dafür registrieren lassen, einen Wolf zu erschiessen. Seit Mitte September haben Walliser Jäger und Wildhüter bereits acht Wölfe erlegt, wie aus der kantonalen Statistik hervorgeht.

Für Kritik sorgt, dass der Kanton Graubünden den Abschuss eines Rudels angeordnet hat, das sich auch im Schweizer Nationalpark aufhält. In der Nähe des Parks soll das Fuorn-Rudel zwei Rinder gerissen haben. Gegen die Abschuss-Verfügung wehrt sich eine Petition mit 35’000 Unterschriften, berichten die Umweltorganisationen. Trotz anhaltender Kritik haben sowohl sie wie auch der Nationalpark auf eine juristische Einsprache verzichtet.

Dringend gesucht: Wolf-Chef für Rösti

Vergangene Woche ist eine Initiative gescheitert, die den Abschuss des Wolfs überall in der Schweiz und ganzjährig erlauben wollte – mit Ausnahme des Nationalparks. Die Initianten, eine Gruppe von sieben Privatpersonen, mussten jedoch einräumen, das Sammelziel von 100’000 Unterschriften verpasst zu haben.

Dass der Wolf noch immer ein Politikum darstellt, zeigt eine Personalie: Beim Bund ist die Stelle als Sektionschef Wildtiere und Artenförderung seit Monaten vakant. Gemäss einer Recherche des «Sonntagsblicks» soll das Departement von Albert Rösti im Sommer einen Headhunter engagiert haben.