Frauen, die es erstmals an die Staatsspitze schaffen, gehören oft rechten Parteien an
Nach Hillary Clinton 2016 hat wieder eine Frau gegen Donald Trump verloren. Will in den USA eine Mehrheit einfach keine Frau im Weissen Haus? Seit 248 Jahren stehen ausschliesslich Männer an der Spitze Amerikas, einem Land, das doch sonst in so vielerlei Hinsicht ein Pionier ist: technologisch, kulturell, wissenschaftlich … Im Wahlkampf setzte Harris bewusst nicht auf die Karte Frau und betonte stets, eine Kandidatin für «alle Amerikaner» zu sein. Es war Donald Trump, der die Geschlechterfrage thematisierte – mit zum Teil offen frauenfeindlichen Sprüchen. Trotzdem dominiert bei Wahlforschern die Ansicht, das Geschlecht sei nicht ausschlaggebend gewesen für Harris’ Niederlage. Politikwissenschafterin Emily Johnson von der University of California etwa sagte: «Die Wahlergebnisse zeigen, dass wirtschaftliche Sorgen und die Wahrnehmung der politischen Agenda der Demokraten eine grössere Rolle gespielt haben.»
Frauen brauchten auch in Europa lange, bis sie die höchsten Ämter bekleideten. Dabei zeigt sich ein Muster: Es waren überdurchschnittlich viele rechte Politikerinnen, denen die Premiere gelang, obwohl rechte und konservative Parteien selten auf aktive Frauenförderung setzen. Womöglich sind aber gerade deshalb jene Politikerinnen, die es in solche Parteien nach oben schaffen, dann auch in der Gesamtbevölkerung mehrheitsfähig. Bei Harris machen manche Politologen auch ihren Ruf als urbane «San-Francisco-Sozialistin» dafür verantwortlich, dass sie in ländlichen Gegenden gegen Donald Trump schlechter abschnitt als der zentristische Joe Biden 2020.
Bürgerliche oder rechte Frauen an der Spitze
Italien:Giorgia Meloni, 47, ist die erste Frau, die das Amt der Ministerpräsidentin bekleidet. Sie ist Vorsitzende der Partei Fratelli d’Italia, die als rechtskonservativ und nationalistisch eingestuft wird. Sie regiert seit Oktober 2022 und steht für eine Politik, die traditionelle Werte betont und eine restriktive Migrationspolitik verfolgt. International ergreift sie Partei für die Ukraine.
Grossbritannien:Margaret Thatcher wurde 1979 zur ersten Premierministerin des Vereinigten Königreichs gewählt. Sie war mehr als elf Jahre im Amt und führte die Konservative Partei in drei aufeinanderfolgenden Wahlen zum Sieg. Thatcher wurde «Eiserne Lady» genannt, weil sie eine knallharte Kapitalistin war, die Wirtschaft liberalisierte und die Gewerkschaften schwächte.
Deutschland:Angela Merkel schrieb als Ostdeutsche und erste Frau im Kanzleramt Geschichte. Sie wurde 2005 gewählt. Merkel gehört zwar der konservativen CDU an, rückte aber im Verlauf ihrer 16-jährigen Amtszeit nach links. Sie bleibt mit ihrer humanitären Flüchtlingspolitik 2015 in Erinnerung («Wir schaffen das»), als sie die Grenze für über 1 Million Menschen öffnete.
Schweiz:Auch bei uns war es keine linke Politikerin, welche den Bann brach. Lilian Uchtenhagen (SP) wurde 1983 von der Bundesversammlung noch verschmäht. Erste Bundesrätin wurde 1984 Elisabeth Kopp (FDP). Sie wurde 1988 von den Medien und der eigenen Partei zum Rücktritt gedrängt, wegen einer Affäre um ihren Ehemann Hans W. Kopp. Juristisch wurde sie in allen Punkten freigesprochen.
Norwegen:Die erste Ministerpräsidentin in einem skandinavischen Land war Gro Harlem Brundtland in Norwegen. Sie wurde 1981 erstmals gewählt. Skandinavien ist die Ausnahme von der konservativen Regel: Brundtland wie auch Schwedens erste Regierungschefin ist Sozialdemokratin. Sie war zwischen 1981 und 1996 insgesamt dreimal Ministerpräsidentin.