Mit Zweitliga-Spielern auf die Mission «Ligaerhalt»: Die neue Realität der Schweizer Nati nach dem EM-Rausch
An der Europameisterschaft im Sommer war die Dreier-Abwehr vor Goalie Yann Sommer das Fundament des Schweizer Sturmlaufs in den Viertelfinal: halb rechts Fabian Schär, halb links Ricardo Rodriguez, zwischen ihnen Manuel Akanji. Vier Monate später ist nicht nur der Himmel eingetrübt, mit ihm auch der Zustand der Nationalmannschaft. In den finalen Nations-League-Spielen gegen Serbien und Spanien geht es für sie um den Abstieg – wer hätte das im Juli gedacht?
Und dieser Abstieg ist wahrscheinlicher als der Ligaerhalt. Auch, weil vom sommerlichen Prunkstück der Nati nur noch ein paar Krümel übrig sind, bereits zehn Gegentore in den vier Spielen seit der EM stehen zu Buche. Schär? Zurückgetreten. Rodriguez? Bei Betis Sevilla in den letzten vier Spielen genau eine (!) Minute im Einsatz. Akanji? Bleibt verletzt in Manchester.
Und Sommer-Nachfolger Gregor Kobel? Ist zwar eingerückt, aber ob er am Freitag im «Alles-oder-Nichts»-Spiel gegen Serbien mittun darf, steht in den Sternen. Für seinen Arbeitgeber Borussia Dortmund hat Kobel im November noch kein Spiel bestritten. Und da sie beim BVB in ihrer momentanen Krise so schnell wie möglich wieder auf ihren Vizecaptain zurückgreifen wollen, wird Kobel nur spielen, wenn er tausendprozentig fit ist.
Gut möglich also, dass gegen Serbien mit Lorient-Profi Yvon Mvogo ein Zweitliga-Goalie das Schweizer Tor hütet. Das gilt auch für die linke Aussenbahn: Miro Muheim vom «unaufsteigbaren» Hamburger SV aus der 2. Bundesliga ist erstmals nominiert, weil besser dotierte Linksfüsser aus der Sicht von Nationaltrainer Murat Yakin nicht zu finden sind.
Im linken Couloir, wenn Yakin sein bevorzugtes System mit Fünfer-Mittelfeld wählt, wäre auch Ardon Jashari einen Versuch wert: Der gelernte Mittelfeldspieler kommt im Zentrum nicht an den Häuptlingen Granit Xhaka und Remo Freuler vorbei, nach links ausgewichen ist er indes bereits in der U21.
Die Innenverteidigung, egal ob aus zwei oder aus drei Spielern bestehend, stellt sich fast von alleine auf: Einer aus dem Trio Cömert (Rückkehrer), Amenda und Hajdari (beide Debütanten) wird sicher spielen, alle drei waren im Sommer weit von einem EM-Aufgebot entfernt. Am kommenden Freitag im Letzigrund gegen Serbien, wenn die Schweiz zum Überleben im Abstiegskampf einen Sieg mit zwei Toren Differenz braucht, wird eine Nati auf dem Platz stehen, die in dieser Konstellation kaum ein weiteres Mal zusammenkommen wird.
Offiziell sagt Pierluigi Tami, der Direktor Nationalteams, das ausgemergelte Kader spiele keine Rolle bei der Zielsetzung: «Wir verstecken uns nicht hinter den Verletzten, wir wollen in der Liga A bleiben.»
Gefragt danach, wie schlimm ein Abstieg und die damit verbundenen tieferen Uefa-Prämien und unattraktiveren Gegnern in der nächsten Nations League aus Verbandssicht wären, schlägt Tami indes in die gleiche Kerbe wie der Trainer. Yakin fände einen Abstiegs «nicht so tragisch», Tami meint: «Ich gebe Murat Recht. In einer Vierergruppe ist die Gefahr, abzusteigen, gross. Und wir wurden in den bisherigen Spielen nicht gerade bevorteilt, auch wenn wir selber Fehler gemacht haben. Ich freue mich vor allem für die neuen Spieler und die Rückkehrer: Für sie kann es fantastisch werden, wenn sie ihre Chancen nutzen.»