«Dorf oder Stadt? Olten ist das Beste aus beiden Welten», findet Kolumnist Lee Aspinall
Olten – klar, offiziell sind wir eine Stadt. Die grösste im Kanton, und das ist schon mal richtig wichtig! Und irgendwie feiere ich das auch – jedes Mal, wenn ich gefragt werde, woher ich komme. Freistaat Olten sozusagen! Aber mal ehrlich: Ist mein Olten dieses verschlafene Dörfchen, das seit Ewigkeiten im Power-Nap-Modus hängt? Oder ist es die Stadt mit all den fancy Ecken, jeder Bezirk ein eigener Mikrokosmos?
So ein bisschen Asterix-Style, mit der Aare als grosser Graben in der Mitte – die eine Seite denkt, sie ist cooler, die andere Seite weiss, dass sie cooler ist. Ein bisschen David gegen die Metropolen Zürich, Basel und Bern, aber eben auf Oltner Art.
Unsere Stadt ist halt echt. Hier kennst du fast alle, und du bist, was du bist und nicht, was du sein willst. Wenn du was erreichen willst, musst du es schon selbst wollen und tun – geschenkt wird dir nichts. Hier will man keine Show, kein Schnickschnack. Zwei Jahrzehnte wohnte ich mitten im Herzen dieses Mini-Dschungels. Die Bars, das Nachtleben, immer Action.
Abends ein Dauerkonzert von Gelächter und Glasgeklimper. Fast wie ein Open-Air-Event, nur ohne Ticket. Der Oltner Klatsch und Tratsch ist legendär – ich kannte fast jeden, und irgendwie wusste auch jeder, was bei mir so läuft. Olten-Style eben. Ich meine, wo sonst trifft man auf einen Mix aus Oberti, Steff, Sergio, Kayhan, Alex, Nico und Dani in den Bars und Restaurants und kennt ihre Stories schon, bevor sie sie selbst erzählen?
So läuft das hier, alles ganz direkt. Mani Matter hätte gesagt: «Und mängisch ghöri gärn dezue und stah dezue.» Eben genau das.
Aber irgendwann dachte ich mir: Chill-Modus wäre auch mal nice. Die Nächte wurden lauter, die Bars weniger, und der Reiz des Nonstop-Stadtlebens verblasste ein bisschen. Einige meiner Freunde zogen schon ab, um morgens bei ihrer Matcha Latte dem Nachbarn auf der Terrasse zuzuwinken. Natur, Ruhe und das einzige Zwitschern kommt von den Vögeln – ganz anders als das Barhopping. Ein Schwatz mit dem Nachbarn über den Gartenzaun, während er sein Bio-Kräuterbeet giesst. Ein eigener Rückzugsort, raus aus dem Social-Hustle.
Dann kam dieser sonnige Samstagmorgen auf meinem Balkon, ich schaue runter auf die Stadt, und da war es mir klar: Ich liebe den Vibe, aber eine kleine Pause davon wäre auch für mich ganz schön. Jetzt wohne ich in einem Viertel, nur ein paar Minuten vom Zentrum entfernt, aber mit mehr Sternenhimmel und weniger Strassenlaternen. Der Stress ist runtergeschraubt – kein Autolärm, mehr Natur. Und wer braucht schon den neuesten Bar-Klatsch, wenn die Nachbarschaft alles bietet? Storylines à la «Frau Müller mit dem fancy Schnurrbart» inklusive.
Hier geht es entspannt zu. Wenn abends um 21 Uhr die Lichter ausgehen, bin ich fein damit – ich bin hier zu Hause. Klar, die Innenstadt ist nicht weit, aber manchmal fühlt es sich an, als wäre sie meilenweit weg. Und das passt so.
Freitags kribbelt es dann aber doch – Stadtfieber! Also schnapp ich mir meine Harrington, geh in die Variobar, starte meine Playlist hinter der Bar und bin wieder im Element.
Zwischen all den Kids, die gerade erst den Führerschein gemacht haben und bei den meisten Songs meiner Liste noch nicht mal geboren waren. Wenn spät am Abend die Obertis, Sergios, Kayans, Steffs, Alexen, Danis und Sönus, oder wie sie alle heissen, auf einen letzten Drink vorbeischauen, weil sie ja jetzt Zeit haben, wir zusammensitzen und über Olten diskutieren, dann weiss ich: Es spielt keine Rolle, ob Olten jetzt hippe Stadt oder chilliges Dorf ist – am Ende ist es mein Spot, mein Place, mein Zuhause. Und das ist alles, was zählt.
… Und manchmal gehöre ich gerne dazu!