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«Zum Spicken war ich zu ängstlich»: Bundesrat Rösti im etwas anderen Interview

Verkehrsminister Albert Rösti hat am Zukunftstag den Newsroom von CH Media in Aarau besucht – und stellte sich den Fragen der Jugendlichen.

Mögen Sie Interviews?

Das kommt auf die Fragen an. Ich gebe aber nicht ungern Interviews, denn es ist eine Gelegenheit, die Politik des Bundesrates zu verkaufen und der Bevölkerung Auskunft zu geben. Im Gegensatz zu einem Artikel habe ich beim Interview auch die Gelegenheit zum Gegenlesen. Ich kann also noch Formulierungen abändern. Auch wenn im Grundsatz gilt: Gesagt ist gesagt.

Was wollten Sie werden, als Sie in unserem Alter waren?

Ich war immer eher technikaffin. Und wollte Elektriker werden. Wir hatten auch ein entsprechendes Geschäft in der Nachbarschaft, das hat mich immer fasziniert. Dann habe ich aber gehört, dass fast alle, die Elektriker sind, mindestens einmal in ihrer Karriere einen Stromschlag kriegen. Darum wollte ich dann doch nicht Elektriker werden und habe schliesslich Agronomie studiert.

Was gefällt Ihnen als Bundesrat?

Es ist ein Privileg, Bundesrat zu sein, vor allem in meinem Departement. Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation sind spannende Themen. Im Moment steht der Ausbau der Autobahn im Vordergrund, weil wir bald darüber abstimmen. Aber ich kümmere mich auch um die Eisenbahn oder um Lärmfragen an Flughäfen. Mir gefällt diese Vielfalt an Themen und die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen.

Und was gefällt Ihnen nicht?

Manchmal ist es schon stressig, man muss als Bundesrat viel arbeiten. Und es gibt schon Momente, in denen ich mich frage: Muss ich jetzt da wirklich noch hingehen?

Wie viel Freizeit haben Sie?

Auch Bundesräte haben ihre Freizeit. Ich habe einen halben bis einen ganzen Tag pro Woche frei. Dann gehe ich gerne wandern. Im Winter fahre ich gerne Ski und mache Langlauf. Und mein grösstes Hobby ist die Musik.

Wann haben Sie angefangen, Schlagzeug zu spielen?

In der vierten Klasse habe ich als Tambour angefangen, erst im Gymer mit Schlagzeug. Man könnte es viel besser können, als ich es tue. Eine Zeit lang habe ich mir noch überlegt, Musik zu studieren. Aber ich war zu wenig talentiert. Dann wurde ich halt Politiker.

Weshalb wurden Sie Politiker?

Das war auch ein bisschen Zufall. Ich war zuerst in der Landwirtschaft. Und habe da als Landwirtschaftslehrer gearbeitet. Das ist schon sehr nahe an der Politik. Irgendwann wurde ich angefragt, habe dann kandiert und so kam eins zum anderen.

Weshalb wählten Sie als Bundesrat das Departement mit Umwelt, Verkehr und Energie?

Als Bundesrat kann man nicht selber entscheiden, welches Departement man bekommt. Alle Bundesräte sitzen zusammen, und jene, die schon länger dabei sind, können zuerst sagen, welches Departement sie wollen. Ich wollte das Uvek, und der Bundesrat hat dies unterstützt. Es passt zu mir wegen meiner Ausbildung als Agronom, und zudem war ich vorher während elf Jahren in der Umwelt- und Energiekommission im Nationalrat. Ich hatte also schon viel Erfahrung in diesem Bereich.

Wieso finden Sie Trump besser als Kamala Harris?

(Lacht.) Das ist so eine Frage, die mir kürzlich auch schon von Schülern gestellt wurde. Da habe ich sie beantwortet. Und nachher habe ich gemerkt, dass man so Sachen als Bundesrat besser nicht beantwortet. Drum will ich das hier lieber offenlassen. Aber: Der Bundesrat hat Trump gratuliert.

Zu welchem anderen Bundesrat oder zu welcher Bundesrätin haben Sie das beste Verhältnis?

Auch das würde ich euch sehr gerne beantworten, aber hier hat es links und rechts Kameras, und ich sage das vielleicht besser nicht öffentlich. Natürlich habe ich es mit dem einen oder anderen besser. Aber es gibt Sachen, die man als Bundesrat besser nicht sagt. Sonst habe ich morgen Vormittag die fünf anderen Bundesräte im Büro, die sich bei mir beschweren. Wir haben es menschlich untereinander alle gut. Wir streiten schon mal, aber nur in der Sache.

Wie viel verdienen Sie als Bundesrat?

Ein Bundesrat hat einen sehr guten Lohn. Wenn man es genau wissen will, kann man das Google fragen. Es sind zirka 460’000 Franken. Das ist viel Geld. Man arbeitet aber auch entsprechend viel.

Für was geben Sie gerne Geld aus?

Zuerst muss man natürlich die Grundbedürfnisse wie Essen und Wohnen decken. Das ist nicht für alle selbstverständlich. Bei mir bleibt etwas mehr übrig als für andere. Ich gebe gerne Geld aus für meine Familie, zum Beispiel, um in einem schönen Hotel Ferien zu machen.

Haben Sie gerne Rösti?

Sehr gerne. Ich werde meinem Namen absolut gerecht. Ich habe alles aus Kartoffeln gerne. Noch etwas lieber als Rösti habe ich aber Gratin.

Hat man Sie wegen Ihres Namen in der Schule gehänselt?

Dort wo ich aufgewachsen bin – in Frutigen im Berner Oberland ist Rösti ein ganz normaler Name. Wie Meier und Müller. Thun, wo ich den Gymer besuchte, war das aber zu weit weg. Dort fanden meine Mitschülerinnen und Mitschüler den Namen Rösti lustig. Ich wurde schon gehänselt, es war aber nicht schlimm. Ich war einfach der Rösti und nicht der Albert.

Waren Sie ein guter Schüler?

Nein, ich war ein mittelmässiger Schüler. Aber ich habe immer gerne Theater gespielt und bin gerne aufgetreten. Viele Prüfungen habe ich bestanden, weil ich gut «geschnorrt» habe. Ich hatte so Noten wie viereinhalb oder fünf. Erst im Studium gehörte ich zu den Besten.

Haben Sie in der Schule mal gespickt?

Das ist sicher mal vorgekommen. Grundsätzlich war ich eher ein anständiger und ehrlicher Schüler. Aber wenn mal zufällig die Nachbarin oder der Nachbar sein Blatt nicht so gut versteckt hat, dann konnte es schon passieren, dass ich mal rübergeschaut habe. So einen richtigen Spick auf die Hand geschrieben habe ich aber nie. Das hätte ich mich nie getraut. Dafür war ich zu ängstlich.

Weshalb soll das Stimmvolk am 24. November dem Ausbau der Autobahnen zustimmen?

Auf diese Frage habe ich gehofft. Der Bundesrat und die Mehrheit des Parlamentes wollen, dass die Bevölkerung mobil sein kann. Wir investieren viel Geld in die Bahn, doch wir müssen das auch für die Strassen tun. Wir wollen Bahn und Auto nicht gegeneinander ausspielen, denn wir brauchen für die Zukunft alle Transportmittel. Als ich geboren wurde, hatte die Schweiz 6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Heute sind es 9 Millionen Menschen. Mehr Leute sind unterwegs, mehr Güter müssen transportiert werden. Deshalb gibt es Staus, und wir müssen Engpässe beheben. Aus ökologischen Gründen wurde das Referendum dagegen ergriffen. Nun müssen die Leute eine Güterabwägung machen. Was ist wichtiger, dass die Leute zur Arbeit kommen und nicht im Stau stehen oder die Umwelt?

Es gibt ja auch ein Projekt für unterirdischen Güterverkehr. Wäre das nicht viel sinnvoller, wenn all die Güter unter dem Boden statt auf der Strasse wären?

Das wäre sogar viel schlauer. Das ist das Projekt Cargo sous terrain. Auch das würde aber nicht verhindern, dass wir die Strassen ausbauen müssen. Auch in die Bahnhöfe für die unterirdische Verteilung müssten die Waren ja zuerst kommen. Dafür braucht es weiterhin die Lastwagen. Und die Autobahnen.

Müsste man das Autofahren nicht weniger attraktiv machen? Es bringt ja nichts, den ÖV und die Strassen auszubauen.

Im Verhältnis zum Auto stärken wir den ÖV mehr: Wir investieren mehr Geld in die Bahn als in die Strasse. Denn der Bundesrat will, dass wir mehr Leute und auch Güter auf der Bahn haben. Ein Teil der Bevölkerung soll umsteigen von der Strasse auf die Bahn. Doch alles können wir nicht rüberschieben, deshalb braucht es auch Investitionen in die Strassen.

Die Schweiz wurde kürzlich vom Menschenrechtshof verurteilt. Wie war das für Sie als Bundesrat?

Wenn man verurteilt wird, fühlt man sich schon nicht so gut. Der Menschenrechtshof hat uns verurteilt, da er findet, dass die Schweiz zu wenig macht, um den Ausstoss von CO2zu verhindern. Da waren der Bundesrat und das Parlament aber nicht einverstanden. Das Gericht hat etwa nicht berücksichtigt, dass wir schon diverse Massnahmen aufgegleist haben.

Welches ist Ihre Lieblingsfarbe?

Ich habe viele blaue Anzüge an. Und das ist tatsächlich auch meine Lieblingsfarbe.

Haben Sie ein Vorbild?

Ja, aber den kennt ihr wahrscheinlich nicht mehr, da müsst ihr eure Eltern fragen. Mein politisches Vorbild ist Adolf Ogi, er war vor 20 Jahren Bundesrat und kommt aus dem gleichen Dorf wie ich. Ich habe ihn schon als Kind gekannt.

In welcher Partei sind Sie und weshalb?

Ich bin in der SVP. Ich bin auf einem Bauernbetrieb im Berggebiet aufgewachsen, das hat mich geprägt. Ich wurde schon früh mit politischen Massnahmen konfrontiert. Denn die Landwirtschaft ist auf Unterstützung angewiesen, da im Ausland viel billiger produziert wird. Auch im Tourismus spielt die Politik eine wichtige Rolle. Die SVP vertritt meine Werte, und diese bringe ich im Bundesrat ein. Aber ich muss hier auch sagen: Sobald der Bundesrat etwas entscheidet, stehe ich dahinter und vertrete diese Haltung. Das gilt auch, wenn der Bundesrat etwas entschieden hat, das auf SP-Linie ist.

Was ist das Coolste daran, Bundesrat zu sein?

Das, was ich jetzt grad mit euch mache, finde ich schon sehr cool. Ich darf jeden Tag neue interessante Menschen kennenlernen, die mir interessante Fragen stellen.

Was ist Ihr Ziel als Bundesrat?

Mein Ziel als Bundesrat ist es, zusammen mit meinem Team eine möglichst gute Arbeit zu machen und der Schweiz zu dienen. Jeden Franken, den wir ausgeben, haben eure Eltern verdient. Sie zahlen Steuern, damit wir das machen, was sonst niemand tut. Wir schauen, dass die Eisenbahn läuft und dass wir genügend Strom haben. Genug Energie ist für mich das oberste Ziel, darauf richte ich alles aus. Stellt euch mal vor, es gäbe keinen Strom mehr. Wir sind so abhängig davon. Im Coop würde nicht einmal mehr die Türe aufgehen.

In wie vielen Ländern waren Sie schon?

Ich bin nicht so weit gereist. Ich würde sagen so dreissig, vierzig Länder. Viel in Europa. Aber ich war auch schon in Amerika und Afrika.

Mögen Sie Kinder, und was machen Sie für uns?

Ich mag Kinder natürlich sehr. Kinder sind unsere Zukunft. Das sagen alle, aber ich meine das wirklich so. Wenn wir dann mal alt sind, dann arbeitet ihr. Alle Projekte, die wir jetzt aufgleisen, derzeit etwa die Autobahnen, die machen wir eigentlich für euch. Wir arbeiten viel für die künftigen Generationen. Bis diese Projekte fertig sind, seid ihr alle schon fast erwachsen. Kinder und Jugendliche sind die Motivation für mich, dass ich jeden Tag mit vollem Elan arbeite.

Hat Ihnen das Interview gefallen?

Ihr habt sehr gute Fragen gestellt, die hätten auch von Profi-Journalisten kommen können. Das sage ich jetzt nicht, um euch zu gefallen. Ihr habt sogar nachgefragt.