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«Ich habe nicht auf den Tacho geschaut» – 22-Jähriger wird nach Fahrt mit 120 km/h über den Böhler geblitzt

Eine abgeschlossene Berufsausbildung kann sich positiv oder negativ auf ein Gerichtsurteil auswirken. Manchmal sogar beides gleichzeitig. Diese Erfahrung machte ein junger Mann aus der Region.

Es ist ein Abend im August 2023. Jasin (Name geändert) ist mit dem VW Golf seines Vaters von Schöftland über den Böhler Richtung Unterkulm unterwegs. Bevor der kurvenreiche Abschnitt beginnt, führt die Strasse nach dem Ortsausgang Schöftland ein ganzes Stück beinahe geradeaus.

Erlaubt sind auf dieser Strasse 80 Stundenkilometer. Das Wetter ist gut an diesem Sommertag, die Strasse übersichtlich. Jasin gibt Gas, beschleunigt den Golf auf 126 Stundenkilometer. Damit löst er die Radarfalle aus, die an diesem Tag dort aufgestellt ist. Die Polizei stoppt ihn, hält ihm seine Verfehlung vor und nimmt dem damals 21-Jährigen den Führerausweis ab.

Am Mittwoch musste sich Jasin nun für «eine grobe Verletzung der Verkehrsregeln» vor dem Bezirksgericht Kulm verantworten. So lautet der Vorwurf in der Anklageschrift. Mit der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit habe er eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorgerufen oder in Kauf genommen, heisst es weiter. Nach Abzug der Toleranz von sechs Stundenkilometern bleibt eine Überschreitung von 40 km/h.

Nicht zum ersten Mal vor Gericht

Es ist nicht das erste Mal, dass Jasin einen Gerichtssaal von innen sieht. Im Jahr 2019 war er wegen Tätlichkeit und Angriff nach Jugendrecht verurteilt worden.

Drei Jahre später wurde er wegen Körperverletzung vom Regionalgericht Bern-Mittelland bedingt zu 180 Tagessätzen zu je 40 Franken verurteilt. An beide Vorfälle könne er sich kaum erinnern, erklärte Jasin Gerichtspräsident Christian Märki in seiner neuen Verhandlung: «Ich war damals im Ausgang und total besoffen.»

Das Thema Alkohol habe er inzwischen im Griff. Ausserdem hat Jasin in diesem Jahr seine handwerkliche Ausbildung abgeschlossen. Er möchte sich weiterbilden, irgendwann eine Familie gründen und ein Haus kaufen.

Zu der Fahrt im Sommer August 2023 erklärt er: «Ich war sehr, sehr schnell. Auf den Tacho habe ich nicht geschaut. Ich weiss, dass ich einen Fehler gemacht habe, und möchte mich dafür entschuldigen.»

Jasins Verteidiger hält sich kurz in seiner Erklärung: «Ich schliesse mich den Anträgen der Staatsanwaltschaft an. Dieses Strafmass ist angemessen.» Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm hat in ihrer Anklageschrift 60 Tagessätze zu je 60 Franken beantragt. Bedingt, bei einer Probezeit von zwei Jahren. Dazu eine Busse von 700 Franken.

Sie spricht sich auch dafür aus, das bedingte Urteil aus dem Jahr 2022 nicht zu widerrufen, sondern lediglich die Probezeit um ein Jahr zu verlängern. Auch in diesem Punkt stimmt der Verteidiger der Staatsanwaltschaft zu. Schliesslich sei die neuerliche Verfehlung seines Mandanten nicht einschlägig – also nicht wieder eine Körperverletzung, sondern ein Verkehrsdelikt.

Höhere Strafe trotz guter Prognose

In vielen Punkten folgt Märki den Anträgen. Jasin habe sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt. «Eine Ausbildung in ihrer Branche ist anspruchsvoll. Dass Sie den Abschluss geschafft haben, zeigt, dass Sie etwas können», hält er Jasin zugute. Auch seine Pläne für eine berufliche Weiterbildung wertet Märki positiv.

So entscheidet der Gerichtspräsident, dass die Strafe aus Bern-Mittelland tatsächlich nicht widerrufen werden muss. Die Verlängerung der Probezeit reicht Märki aus. Auch die bedingte Geldstrafe von 60 Tagessätzen hält er für angemessen.

Aber: «Inzwischen haben Sie Ihre Ausbildung abgeschlossen. Damit haben sich Ihre wirtschaftlichen Verhältnisse deutlich verbessert.» Märki hatte sich zuvor von Jasin schildern lassen, was er im Angestelltenverhältnis nach Abschluss seiner Ausbildung verdient. Deswegen setzt der Gerichtspräsident die Höhe der Tagessätze bei 130 Franken fest, statt bei den von der Staatsanwaltschaft geforderten 60 Franken.

Und zur Busse erklärt Märki: «Die soll man auch spüren.» Daher muss Jasin nun 1590 statt der geforderten 700 Franken zahlen.