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Mit getürktem Umsatz Covid-Kredit erschlichen: Beschuldigter macht Treuhänder verantwortlich

Ein ehemaliger Geschäftsführer soll über 100'000 Franken missbräuchlich bezogen haben. Jetzt stand der Mann vor dem Bezirksgericht Zurzach und beteuerte seine Unschuld. 

Vier Jahre nach der Eintragung im Handelsregister war 2021 der Konkurs über die in der Gastro-Branche tätige GmbH eröffnet und im Jahr darauf mangels Aktiven eingestellt worden. Jetzt hatte sich der einzige Gesellschafter der Firma und Geschäftsführer vor Gericht zu verantworten. Vorgeworfen wurden ihm Misswirtschaft, Unterlassung der Buchführungspflicht, Betrug, Urkundenfälschung und Geldwäsche.

Gemäss Anklage hatte er aufgrund von geschönten Umsatzzahlen einen Covid-Kredit von rund 109’000 Franken lockergemacht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war der Kredit zudem «zumindest teilweise» missbräuchlich verwendet worden. «Das Schicksal dieser Kreditmittel ist ungeklärt», so die Anklage. «Sie bleiben verschwunden.»

Vorgeworfen wurde dem Beschuldigten zudem, dass er mit Mitteln seines Unternehmens private Ausgaben bestritten habe, obwohl er um die Zahlungsunfähigkeit seiner GmbH und die drohende Überschuldung gewusst habe. Bis zur Konkurseröffnung waren so Forderungen von rund 327’000 Franken aufgelaufen, darunter Ansprüche aus 29 Betreibungen. Während der gesamten Existenz seiner GmbH sei der Beschuldigte auch nie der Pflicht zur Buchführung nachgekommen, so die Anklage.

«Der Treuhänder ist schuld»

Der knapp 60 Jahre alte Beschuldigte, der seit bald 40 Jahren in der Schweiz lebt und vor 30 Jahren eingebürgert worden war, scheint über keine Kenntnisse einer Landessprache zu verfügen. Vor Gericht zog er es jedenfalls vor, die Dienste einer Dolmetscherin in Anspruch zu nehmen. Wie er in der Befragung durch Bezirksgerichtspräsident Cyrill Kramer sagte, habe er die Covid-Vereinbarung unterschrieben. Ausgefüllt hätte das Formular jedoch sein damaliger Treuhänder. Er habe diesen gefragt, ob der Umsatzbetrag nicht zu hoch angegeben sei. Denn er wolle keine Probleme mit dem Staat bekommen.

Auch für die Vorwürfe der Misswirtschaft und der Unterlassung der Buchführungspflicht machte der Beschuldigte, der heute als Angestellter in der Firma seiner Frau – gewissermassen einer Nachfolgefirma der fallierten GmbH – tätig ist, seinen damaligen Treuhänder verantwortlich. Der sei bezahlt worden, habe jedoch nichts gemacht, erklärte er.

«Typischer Covid-Betrug»

«Es geht hier um einen typischen Fall von Covid-Betrug», betonte der Staatsanwalt. Er verwies auf die insgesamt 410 Fälle von Covid-Betrug im Aargau und stellte fest: «Der heutige Fall gehört in die mittelschwere Kategorie. Der Beschuldigte wollte sich persönlich bereichern. Seine Geschäftsführung war schlicht ein Desaster. So kann in der Schweiz kein Geschäft geführt werden. Der Beschuldigte hatte keinen Anspruch auf einen Covid-Kredit und hat diesen zudem missbräuchlich verwendet. Es liegt Bezugs- und Verwendungsmissbrauch vor.»

Der Ankläger forderte eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 30 Monaten, von denen sechs Monate zu vollziehen seien, sowie ein Tätigkeitsverbot. Dem Beschuldigten sei für vier Jahre zu verbieten, als Geschäftsführer oder als Organ einer juristischen Person oder Handelsgesellschaft tätig zu sein.

Verteidiger fordert Freispruch

Der Verteidiger beantragte Freispruch. Auf die Zivilklage sei nicht einzutreten. Der Beschuldigte habe sich bereit erklärt, den Covid-Kredit in Raten abzustottern. Der Verteidiger machte geltend, dass der Treuhänder das Formular ausgefüllt habe und dass ein Umsatz in der Grösse, wie er angegeben wurde, nicht auszuschliessen sei. Auch die Tatbestände der Misswirtschaft und der Unterlassung der Buchführungspflicht seien nicht erfüllt. «Mein Mandant hat sehr wohl Buch geführt», so der Verteidiger. «Aber er hat sich auf den Treuhänder verlassen.»

Das Gericht sprach den Beschuldigten jedoch im Sinne der Anklage schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, unter Gewährung des bedingten Erlasses, bei einer Probezeit von drei Jahren, sowie zu einer Busse von 2000 Franken. Von einem Berufsverbot sah das Gericht ab. Wie Gerichtspräsident Kramer zum Urteil ausführte, habe die Darstellung der Staatsanwaltschaft das Gericht zu überzeugen vermocht. Beim Strafmass habe das Gericht jedoch einer gewissen Unbeholfenheit des Beschuldigten Rechnung getragen.