Sie sind hier: Home > Aargau > «Das ist eine Premiere»: Das sanierte jüdische Tauchbad ist als erstes in der Schweiz für die Öffentlichkeit zugänglich

«Das ist eine Premiere»: Das sanierte jüdische Tauchbad ist als erstes in der Schweiz für die Öffentlichkeit zugänglich

Das Vermittlungsprojekt Doppeltür eröffnet die erste Ausstellung: Ab Dezember können Interessierte in das jüdische Tauchbad in Endingen eintauchen. Bei der Eröffnungsfeier wurde auch bekannt, dass ein weiteres, wichtiges Kulturobjekt seit kurzem Teil des ambitionierten Projekts ist.

Der Duft nach frischer Farbe liegt in der Luft. An den Wänden hängen Infotafeln: Was eine Mikwe ist, wie ein Besuch im jüdischen Tauchbad abläuft oder seit wann es Ritualbäder gibt. Am Dienstag feierte die Stiftung Doppeltür die Eröffnung der Mikwe in Endingen. «Es ist ein Jubeltag für uns, ein Meilenstein», sagte Präsident Lukas Keller.

Das denkmalgeschützte jüdische Tauchbad wurde in den vergangenen Monaten umgebaut und das Obergeschoss mit einem Hebelift erschlossen. An der Einweihung brachte Jules Bloch, Präsident der Israelitischen Kulturgemeinde Endingen, die Pergamentrolle Mesusa am Türrahmen an. Durch die Mikwe führt nun eine audiovisuelle Ausstellung zum Thema «Tauchbad – Wasser im religiösen Leben».

Die Mikwe habe früher drei Bäder enthalten, sagte Esther Girsberger, Präsidentin des Vereins Doppeltür, der für den Betrieb des künftigen Besucherzentrums in Lengnau, des Jüdischen Kulturwegs, Veranstaltungen und Sonderausstellungen zuständig ist. Eines der Bäder ist noch erhalten und nun zugänglich. Weisse Holzlatten am Boden deuten an, wo sich die anderen zwei Bäder früher befanden.

Die Mikwe dient jüdischen Frauen und Männern zur rituellen und geistigen Reinigung des Körpers.
Bild: Sandra Ardizzone

Jonathan Kreutner, Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, machte auf einen besonderen Umstand aufmerksam: «Diese Mikwe ist die erste in der Schweiz, die als Ausstellungsort zugänglich ist – das ist eine Premiere.» Und er verriet, dass seit knapp zwei Wochen auch das jüdische Tauchbad in Lengnau Teil des Projekts Doppeltür ist.

Lukas Keller (r.), Präsident der Stiftung Doppeltür, zeigt ein Badeticket, das ihm Jules Bloch, Präsident der Israelitischen Kulturgemeinde Endingen, schenkte.
Bild: Sandra Ardizzone

Historikerin Angela Bhend, die an der Inszenierung der Ausstellung in der Mikwe mitarbeitete, sagte: «Die Mikwe ist nicht nur ein materiell, sondern auch immateriell ein wichtiges Kulturerbe.» Im Erdgeschoss werde der geschichtliche und religiöse Hintergrund des jüdischen Tauchbades erklärt.

Memory und Tonspur sorgen für besonderes Erlebnis

Nebst den Infotafeln gibt es auch Interaktives zu entdecken. Etwa das Memory, bei dem die Besucherinnen und Besucher zum christlichen Brauch das jüdische Pendant finden müssen: die Fasnacht und das Purimfest, das Lichterfest und Weihnachten oder das Erntedankfest und das Laubhüttenfest. Direkt neben dem Bad können Besuchende mit einer audiovisuellen Spur per Knopfdruck den rituellen Akt des Untertauchens nacherleben. Der Segensspruch, der nach dem Auftauchen gesagt wird, ist dabei auf Deutsch, Hebräisch und Englisch zu hören.

Im ersten Stock steht das Wasser in der weltlichen Umgebung im Zentrum: die Quelle des Thermalwassers in Bad Zurzach, die Kurstadt Baden oder einer der Pioniere des Rheinfelder Thermalbades, der Endinger Arzt Hermann Keller. Ansonsten steht der Raum im ersten Stock noch leer. «In einer zweiten Etappe wollen wir diese Bäderwelt immersiv mit vielen Bildern ausbauen», sagte Angela Bhend.

Mit der Eröffnung der Mikwe ist das Vermittlungsprojekt Doppeltür einen grossen Schritt weiter: Das jüdische Tauchbad ist Teil des ambitionierten Vorhabens, das die jüdisch-christliche Geschichte des Zusammenlebens in den beiden Dörfern einem breiten Publikum zugänglich machen, die interaktive Auseinandersetzung mit aktuellen Gesellschaftsthemen sowie den Dialog und die Toleranz fördern möchte. Denn Endingen und Lengnau waren von 1776 bis 1874 die einzigen Orte im Land, in denen sich jüdische Menschen dauerhaft niederlassen durften. Dafür sind die beiden Dörfer weit über die Landesgrenze hinaus bekannt.

Zentral ist dabei das geplante Zentrum in Lengnau. Im Besucherzentrum mit internationaler Ausstrahlung werden dereinst jährlich bis zu 25’000 Gäste erwartet. Die Eröffnung ist auf Ende 2026, Anfang 2027 vorgesehen. Teil des Projekts sind zudem der Jüdische Kulturweg, die Doppeltür-Schulmodule und seit 2022 auch die Mikwe in Endingen. Erbaut hat das Gebäude der Badener Architekt Caspar Joseph Jeuch im Jahr 1867.

Mit der Eröffnung des jüdischen Tauchbades könne nun ein erster Eindruck des Projekts Doppeltür gezeigt werden, sagte Lukas Keller. «Endlich geht es los.» Für die Öffentlichkeit ist die Mikwe ein erstes Mal am Sonntag, 1. Dezember von 11 bis 14 Uhr am Tag der offenen Tür zugänglich. Danach kann das Tauchbad als Teil einer gebuchten Führung mit Guides des Jüdischen Kulturwegs oder auf individueller Basis gegen einen Eintrittspreis besucht werden. Erwachsene zahlen zehn und Jugendliche acht Franken. Für Vereinsmitglieder sowie Kinder bis sechs Jahre ist der Eintritt kostenlos.