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Einer protestiert, der andere verteilt den Demonstranten Pizza: Zwei Aargauer inmitten der georgischen Unruhen

Demonstrationen beherrschen Georgien dieser Tage. Die Bevölkerung wehrt sich gegen die Regierung. Mittendrin sind auch zwei Aargauer: Während einer demonstriert, sorgt der andere für essbaren Nachschub für die Protestierenden.

In Georgien gehen Tausende seit Tagen jeweils nachts auf die Strasse. In der Hauptstadt Tiflis und anderen Städten kommt es zu Demonstrationen, die Polizei ist mit Tränengas und Wasserwerfern präsent. Was ist da genau los?

Die Proteste richten sich gegen die Regierung und deren Politik, die zu russlandfreundlich sei.Ebenso werden die Ergebnisse der Parlamentswahlen von Ende Oktober angezweifelt– auch von internationalen Beobachtern.

Kyburz: «Mit unseren Pizza-Lieferungen haben wir einen grossen Einfluss»

Mittendrin sind auch zwei Aargauer, Rainer Kyburz aus Turgi und Fabio Bolognese aus Wettingen. Während Kyburz die Pizzeria «Popolo» führt,ist Bolognese der Chef eines Reisebüros und betreibt in der Region Kachetien ein Weingut, wo er unter anderem die für Georgien typischen Saperavi-Reben anbaut.

Das Bild zeigt Fabio Bolognese (Dritter von rechts) mit seinen Winzer-Kollegen.
Bild: zvg

Die Pizzeria ist derzeit aus «Solidarität mit den Demonstrierenden geschlossen». Niemandem sei nach Geniessen und Feiern zumute. Gleichwohl haben Kyburz und sein Team zuletzt Nachtschichten geschoben. Zwei Pizzaiolos backen im Akkord, der Geschäftsführer bringt die Pizza-Schachteln selbst dorthin, wo protestiert wird, und zwei weitere Mitarbeitende verteilen die Kartons schliesslich an die Demonstrierenden. Das hat der 41-Jährige gegenüber «20 Minuten» erklärt.

Für ihn, sagt Kyburz weiter, sei das eine gute Form von gewaltfreiem Protest. Er sagt über die Protestierenden: «Sie fordern ihr Recht ein, demonstrieren, kämpfen, wir liefern Pizzen. So haben wir einen grösseren Einfluss.»

Bolognese: «Nachtleben ist inexistent»

Fabio Bolognese, der ebenfalls in Georgien lebt, beteiligt sich jeden Abend an den Protesten. Die AZ erreicht ihn am Mittwoch telefonisch. «An Demos zu gehen, ist für mich wie eine Pflicht, denn es betrifft auch mein Leben als Nichtstaatsbürger von Georgien», erklärt Bolognese. «Ich kann Ungerechtigkeit nicht ausstehen, und leider werden momentan hier sehr viele Menschen ungerecht behandelt.»

Seiner Meinung nach sei das Teilnehmen an Demonstrationen der einzige Weg, etwas gegen die aktuelle Situation zu unternehmen. «Leider gibt es hier nicht die Möglichkeit wie in der Schweiz, eine Initiative oder ein Referendum einzureichen», sagt Bolognese. Tagsüber merke man von den politischen Unruhen wenig, obschon die Polizei vermehrt präsent sei. Aber: Das klassische Nachtleben existiert derzeit nicht. «Entweder man geht auf die Strasse oder bleibt zu Hause, sonst läuft hier zurzeit nichts.»

Sein Wunsch? Dass so viele Leute wie möglich auf die Strasse gehen, damit der Druck so gross wird, dass die Regierung gestürzt werden kann.

Angst vor dem Protestieren hat er keine. «Meistens laufen die Demonstrationen friedlich ab. Zumindest dann, wenn ich teilnehme. Später, also nach Mitternacht, kommt es öfters zu Ausschreitungen, und Tränengas wird eingesetzt», erzählt Bolognese. Auch er habe schon einmal davon abbekommen. Die Solidarität in solchen Situationen sei jedoch enorm: «Es gibt Leute, die verteilen Atemschutzmasken, Wasser, Tee oder eben Pizzen. Jeder hilft, wo er kann.»

Bolognese hat also von der Pizza-Verteilaktion von Kyburz mitbekommen. Und tatsächlich kennen sich die beiden Aargauer. «Wir haben uns in Baden getroffen, kurz bevor ich nach Georgien ausgewandert bin. Eine gemeinsame georgische Kollegin hat gesagt, wir müssten uns unbedingt noch treffen, bevor wir beide nach Georgien ziehen. Rainers Aktion mit den Pizzen finde ich mega cool», meint Bolognese und lacht.

Nach Angaben des georgischen Innenministeriums hat die Polizei in den vergangenen Tagen fast 300 Personen festgenommen. Die Unruhe ist gross, die Demonstrationen dürften daher auch in den kommenden Tagen weitergehen. Und auch Kyburz und Bolognese werden weiterhin ihre Rollen als Essenslieferant oder Demonstrierender innehaben.