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«Viel zu spät» bis «Riesendesaster»: Das sagen Gegnerinnen und Befürworter zur Stilllegung des AKW Beznau

Für Aktivist Heini Glauser ist der Entscheid der Axpo grob fahrlässig. Benjamin Giezendanner (SVP) hingegen will die nukleare Aufsichtsbehörde einschalten. Sollte die Stilllegung primär aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgen, werde sich die Politik einschalten.

Als standhaftesten Schweizer Atomgegner hat die AZ Heini Glauser einmal bezeichnet. Seit der Katastrophe von Fukushima 2011 hält eine Gruppe um den Energieingenieur aus Windisch fast täglich Mahnwachen vor dem Sitz des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI) in Brugg. Den Entscheid der Axpo, die Atomkraftwerke Beznau 1 und Beznau 2 bis 2032 respektive 2033 laufen zu lassen, beurteilt er als «grob fahrlässig».

Heini Glauser.
Bild: Michael Hunziker

Glauser hat die Mitteilung des Energiekonzerns genau studiert. Er stört sich vor allem an der Aussage, dass die Sicherheit oberste Priorität habe. «Das ist lachhaft. Dann müssten die beiden ältesten Reaktoren der Welt schon lange abgestellt sein», sagt der Aktivist. Eine Risikobeurteilung für einen so langen Zeitraum zu machen, sei unmöglich.

Glauser warnt, der Stahl des Reaktordruckbehälters von Beznau 1 könnte zu spröde werden und brechen – für ihn aktuell die grösste Gefahr. Früher habe das ENSI noch Materialproben entnommen, heute basiere die Beurteilung nur auf theoretischen Berechnungen. Zudem steige die Hochwassergefahr stetig. Die Risiken eines Atomunfalls seien viel zu gross, um sie gegen die Stromproduktion aufzuwiegen, betont er.

Giezendanner will Aufsichtsbehörde vorladen

Benjamin Giezendanner.
Bild: Alex Spichale

SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner sieht das ganz anders: Für ihn wäre es ein «Riesendesaster», das Kernkraftwerk in Döttingen so früh abzuschalten. Der Ausbau der Erneuerbaren komme zu langsam voran. Selbst wenn der heute produzierte Atomstrom durch dieselbe Menge Solar- oder Windkraft ersetzt würde, reichte das aufgrund der Schwankungen des Flatterstroms nicht aus. In der Folge müssten mehr Gaskraftwerke gebaut werden, sagt er.

Giezendanner ist Mitglied der Energiekommission. Dort will er nun beliebt machen, die Aufsichtsbehörde ENSI einzuladen, damit sie die geplante Stilllegung beurteilt. Wenn auch aus ihrer Sicht die Sicherheitsbedenken überwiegen, sei der Fall klar. Sollte der Entscheid der Axpo jedoch aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgt sein, müsse die Politik eingreifen. «Die Landesversorgung geht vor. Jedes weitere Jahr ist wertvoll» sagt der SVP-Politiker. Die Axpo habe genug Reserven.

Kälin: «Uralt-AKW rechnet sich nicht»

Irene Kälin.
Bild: Chris Iseli

Irène Kälin, Grünen-Nationalrätin, verweist darauf, dass schon lange klar sei, dass sich die beiden Reaktoren nicht für einen Langzeitbetrieb eignen. «Auch ökonomisch rechnet sich das Uralt-AKW einfach nicht mehr. Das hat nun endlich auch die Axpo eingesehen», sagt sie. Allerdings wären die 350 Millionen für den Weiterbetrieb ihrer Ansicht nach besser in die Energiewende investiert.

Als Präsidentin des trinationalen Atomschutzverbands setzt sich Kälin für die Interessen der Bevölkerung in Gebieten mit Atomkraftwerken ein. «Je schneller es vom Netz geht, desto besser», sagt sie mit Blick auf Beznau. Die Liste der Mängel sei seitenlang.

Suter: «Letztlich bezahlen das die Konsumentinnen»

Gabriela Suter.
Bild: Valentin Hehli

SP-Nationalrätin Gabriela Suter freut sich über die Mitteilung der Axpo – auf X nutzt sie diese für einen Werbespot zur Energiewende. «Go solar!», schreibt sie und teilt Prognosen zur Solarstromproduktion. «Mit den richtigen Rahmenbedingungen können wir die Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren bis 2035 erreichen», sagt Suter gegenüber der AZ. Die geplante Stilllegung von Beznau sei dabei ein wichtiges Signal für Investoren.

Suter fordert, dass der Solarausbau auf Gebäuden zügig vorangetrieben wird, ebenso die geplanten Wasserkraftprojekte. Zudem brauche es weitere Speicherlösungen, sagt die SP-Politikerin. Sie sieht auch die Axpo in der Pflicht, sich stärker in diesem Bereich zu engagieren. In Deutschland plane man auf dem Gelände ehemaliger AKWs grosse Batterieparks, die Netzschwankungen ausgleichen könnten.

Millionen in ein marodes AKW zu investieren, um es nur für kurze Zeit in Betrieb zu halten, sei dagegen wirtschaftlich unsinnig. «Letztlich bezahlen das die Konsumentinnen und Konsumenten mit höheren Strompreisen», sagt sie. Hinzu kämen die Umweltschäden durch den Uranabbau und die Abhängigkeit von Russland.

Freiermuth: «Keine gute Nachricht»

Für Sabina Freiermuth, Präsidentin der FDP Aargau, ist das Aus von Beznau keine gute Nachricht. «Damit fehlt uns vor allem im Winter eine sichere Quelle der Stromproduktion.» Neue und höhere Staumauern oder alpine Solaranlagen liessen sich nicht so schnell realisieren wie geplant, an vielen Orten gebe es Widerstand. «Ausserdem blockieren ausgerechnet linke Kreise und Umweltverbände diverse Projekte.»

Sabina Freiermuth.
Bild: Alex Spichale

Mit der Elektrifizierung von Verkehr und Heizungen muss die Schweiz laut Freiermuth massiv mehr Strom produzieren. «Dafür braucht es einen Ausbau bei allen Produktionsarten, langfristig ist auch der Zubau von Kernkraftwerken der neuen Generationen nötig.» Die Freisinnige fragt sich, woher der Strom kommen soll: «Importieren ist keine Alternative, auch in umliegenden Ländern wird der Strom im Winter knapp.»

Zu linksgrünen Sicherheitsbedenken sagt sie: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Greenpeace das besser einschätzen kann als das ENSI.» Seit der Inbetriebnahme sei die Anlage immer wieder nachgerüstet und auf den aktuellen Stand der Technik gebracht worden. «Ich bin für die Verlängerung des Betriebs, solange die Sicherheit gewährleistet ist», sagt Freiermuth.