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«Frau Bircher, stehen Sie hinter Andreas Glarner?»
Martina Bircher blickt nach vorn. Am 1. Januar 2025 tritt die 40-Jährige aus Aarburg ihr Amt als Aargauer Regierungsrätin und Direktorin für Bildung, Kultur und Sport an. Im «TalkTäglich» mit Tele M1-Moderatorin Anne-Käthi Kremer spricht sie von der Vorfreude und dem «sehr, sehr grossen Respekt» vor Amt und Erwartungen – und den vier Männern im fünfköpfigen Exekutivgremium, die «gestanden und alle zwanzig Jahre älter» sind.
Aktuell beschäftigt sie sich aber mit dem Abschied, dem Abschied vom Nationalrat, dem sie seit 2019 angehört. Die laufende Session ist ihre letzte. Sie spricht von Wehmut und dass sie nach der Wahl zur Regierungsrätin im vergangenen Oktober lange mit sich gerungen habe, das Rücktrittsschreiben für ihr Berner Amt zu verfassen.
Auf Bircher wartet ein Partei-Amt mit Gefahrenpotenzial
Als neue Regierungsrätin wird sie nicht nur die Direktion Bildung, Kultur und Sport führen. Sie gehört ab Amtsbeginn automatisch der Geschäftsleitung der SVP Kantonalpartei an. Damit wird sie massgeblich in einen Richtungsstreit ihrer Partei hineingezogen.
Um das zu erklären, müssen wir kurz die Situation in Erinnerung rufen, in der sich die SVP gerade befindet. Am 12. Dezember will nämlich Parteipräsident Andreas Glarner der Geschäftsleitung und dem Kantonalvorstand beantragen, ihn wieder aufzustellen. Die eigentliche Wahl findet am Parteitag von Ende April 2025 statt – der Kandidat ist aber umstritten. Glarner ist kein Kind von Traurigkeit, wenn es ums politische Austeilen geht. Während die einen in der Partei ihm jeweils applaudieren, finden die anderen sein Verhalten nicht gerade lustig.
Letztere wären sogar froh, ihren Parteipräsidenten loszuwerden. Und das trotz grossem Wahlerfolg der SVP am letzten 20. Oktober: Fünf neue Grossratssitze, den Sitz des abtretenden Regierungsrats Alex Hürzeler in Person von Martina Bircher verteidigt – noch nie stand die SVP Aargau so stark da.
Ist Glarners Politstil für die Partei gefährlich oder gar ein Erfolgsmodell?
Und doch: Glarners wiederholten Angriffe auf Unbescholtene und Politikerinnen, wie zuletzt Grossrätin Rita Brem-Ingold, die sich am Ende mit Morddrohungen konfrontiert sah, halten seine Kritikerinnen und Kritiker nicht nur für stillos, sondern auch für schädlich für die Partei. Sie fragen hinter vorgehaltener Hand: Hätte die SVP ohne Glarner gar noch mehr Wähleranteile geholt? Auch Ortsparteien kritisieren Glarners Politstil. Und Regierungsrat Jean-Pierre Gallati, auch er Mitglied der Geschäftsleitung, hatte Glarnerbereits vor zwei Jahren den Rücktritt nahegelegt.
Wie positioniert sich Bircher im Richtungsstreit?
In diese Gemengelage wird die designierte Regierungsrätin Martina Bircher nun bald als Geschäftsleitungsmitglied hineingezogen. Kein Wunder wollte Moderatorin Kremer von ihr wissen: «Frau Bircher, stehen Sie hinter Andreas Glarner?»
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TeleM1
Bircher hätte nun mit Ja oder Nein antworten können – doch sie wich mit ihrer Antwort aus und liess sie unbeantwortet: «Die SVP sollte sich weniger mit sich selbst beschäftigen und mehr nach vorne schauen.» Die Partei müsse nach dem historischen Wahltag die Chance packen. Der Grosse Rat könne in den nächsten vier Jahren dank einer bürgerlichen Mehrheit viel bewegen.
Von Kremer auf die nächste Geschäftsleitungs-Sitzung am 12. Dezember angesprochen und ob Präsident Glarner einen Misstrauensantrag zu befürchten hat, gibt sich Noch-Nationalrätin Bircher unwissend. Sie wisse nicht, was in dem Gremium aktuell diskutiert werde. Sie gehe dann im neuen Jahr «mit einem Aussenblick» ins für sie neue Gremium und meint damit wohl unvoreingenommen.
Birchers künftiger Amtskollege ist kein Glarnerfreund
Nun muss man wissen, dass Bircher im Gegensatz zu ihrem künftigen Regierungsratskollegen Jean-Pierre Gallati zum Glarner-Lager gezählt wird. Im Nationalrat waren Bircher und Glarner eine Zeit lang Sitznachbarn. Wie Glarner provoziert auch Bircher durchaus gerne, wenn sie es für nützlich erachtet. Gallati wird zudem nachgesagt, dass er lieber die gemässigte SVP-Fraktionspräsidentin in Grossen Rat, Désirée Stutz, als Regierungsratskandidatin gehabt hätte.
Bircher antwortet auf Frage Kremers auch hier geschickt: Sie wisse nichts davon, Gallati habe solches ihr gegenüber nie ausgesprochen. Als professioneller Politiker, werde er mit ihrer Wahl umgehen können.
In der Geschäftsleitung wird im nächsten Jahr auch der neue Fraktionschef Pascal Furer Einsitz halten, der zuvor jahrelang SVP-Sekretär war. Auch er gilt als Glarner-Vertrauter. Mit Bircher und Furer wird Glarners Position also gestärkt.
Zumindest im Talk von Tele M1 will Martina Bircher durch Äusserungen keinen Aufschrei provozieren, umschifft gefährliche Klippen – ganz Politikerin – gekonnt.
Handyverbot, integrative Schule – das sagt Bircher
Frage: Ob sie als künftige Bildungsdirektorin für ein Handyverbot im Klassenzimmer ist? Antwort: «Ich finde, ein Handy hat während des Unterrichts nichts verloren. Wie man vorgeht, ob man ein Verbot oder Empfehlungen macht, das müssen wir dann prüfen.»
Natürlich streift sie während des Talks auch ein politisches Kernthema, die Migration: «Ich war in einer Spielgruppe, da waren sechs Kinder, wovon kein einziges Deutsch konnte, zwei waren bereits übergewichtig und alle sechs waren Bewegungslegastheniker.»
Integrative Schule hält Bircher für gescheitert: «Man ging davon aus, dass in den Klassen Heilpädagogen eingesetzt werden. Doch wir haben die nicht. Und wir haben nicht mal die Lehrer. Man muss unter den Bedingungen das Beste machen.» Sie erwähnt deshalb Kleinklassen. Solche seien im Aargau im Gegensatz etwa zum Kanton Zürich noch möglich, weil der Aargau nicht dem entsprechenden Konkordat beigetreten sei.
Die Abschlussfrage des Talks zielt auf Birchers Start als Regierungsrätin im Januar und mögliche Vorsätze für 2025: «Ich bin wie ich bin – und bleibe auch als Regierungsrätin Martina Bircher.»