Wenn «Yoda» beim Lesen hilft: Kleiner Chihuahua motiviert Kinder, stressfrei in Bücher einzutauchen
Ehrlich gesagt war die Schreibende doch etwas überrascht, als ihr am Eingang der Regionalbibliothek Klingnau ein kleiner, weisser Chihuahua entgegenlief. Sie hatte einen grösseren Hund erwartet. «Yoda» aber ist, trotz seiner Grösse, ein idealer Lesehund und mit seiner Besitzerin Melanie Huber einmal die Woche hier, um sich aus einem Buch vorlesen zu lassen.
«Nur für Hundeohren»: So heisst das neue Angebot in der Klingnauer Bibliothek, das bereits in anderen Gemeinden erfolgreich durchgeführt wird. Die Idee dahinter ist, Kinder im Alter von ungefähr sieben bis zwölf Jahren stressfrei zum Lesen zu motivieren. Während einer halben Stunde setzt sich das Kind, zusammen mit dem Hund, in eine ruhige Ecke und liest dem Tier etwas vor.
«Hunde sind wertefrei, da spielt es keine Rolle, ob ein Satz oder ein Wort nicht ganz korrekt ausgesprochen wird», erklärt Melanie Huber. Ganz im Gegensatz zu Erwachsenen, die schnell mal korrigierend eingreifen möchten. Das baue bei den Kindern Stress und Erwartungsdruck ab.
Die siebenjährige Jana Büecheler ist heute Dienstagnachmittag die Erste, die «Yoda» vorlesen möchte. Dazu ist sie noch vor der offiziellen Öffnungszeit der Bibliothek gekommen. Sie hat sich eines der Abenteuer von «Petronella Apfelmus» ausgesucht und sitzt in der Leseecke im historischen Keller der Bibliothek auf einer Matte, umringt von Plüschtieren. An ihrer Seite «Yoda», der sich tatsächlich für die Geschichte zu interessieren scheint.
Irgendwann wandert Janas Hand zum Hund und streichelt ihn gedankenverloren. Ein sehr gutes Zeichen. Denn Jana hatte nicht immer ein so gutes Verhältnis zu Hunden, nachdem sie früher einmal gebissen wurde. Während der ganzen Zeit sitzt Melanie Huber zwar in der Nähe. Nie aber greift sie ein, und nie korrigiert sie. Jana ist bereits zum achten Mal hier. Geplant sind zwischen sechs und sieben Mal, an denen Kinder zum Vorlesen kommen. Situationsabhängig werden diese Besuche aber von Melanie Huber und der Bibliotheksleiterin Dorothée Birchmeier angepasst.
Chihuahuas seien ideale Hunde für dieses Leseprojekt. Davon ist «Yodas» Besitzerin überzeugt. Intelligent und – bei richtiger Haltung – ruhig und freundlich. «Yoda» trainiert zu Hause bei Hubers: «Unser Sohn liest dem Hund auch vor. Es ist diese pure Anwesenheit des Tieres, zusammen vielleicht mit etwas Körperkontakt, welche die Kinder ruhig werden lässt», beobachtet Melanie Huber.
Später an diesem Nachmittag kommt noch die achtjährige Melina Gloor. Auch sie hat ihr momentanes Lieblingsbuch mitgebracht. Eine weitere Geschichte des Einhornes «Sternenschweif» ist es, welche sich «Yoda» gleich anhören wird.
Innovatives Bibliotheks-Team mit vielen Ideen
Die Idee und der Entscheid, beim Projekt «nur für Hundeohren» mitzumachen, sei nach einer Informationsveranstaltung der Bibliotheksförderung des Kantons Aargau gefallen, erzählt Bibliotheksleiterin Birchmeier. «Im Herbst gestartet, haben wir nun bereits Wartelisten», freut sie sich. Momentan ist der Lesehund einmal die Woche im Einsatz.
«Nur für Hundeohren» ist aber nur eines von mehreren Projekten, die sich die Klingnauer Bibliothek vorgenommen hat. Aktuell wird Geld gesammelt für ein Bücherrückgabe-System, das es ermöglicht, auch ausserhalb der Öffnungszeiten Bücher und sonstige Medien zurückzubringen. Bereits hat das Crowdfunding 4000 der benötigten 7000 Franken eingebracht. Soeben sind auch die neuen Bibliothekstaschen angekommen, die es zu kaufen gibt. Des Weiteren startet im Frühjahr wieder die Saatgutbibliothek, die in Zusammenarbeit mit «Pro Specie Rara» angeboten wird.
Von diesen Angeboten weiss «Yoda» nichts. Hauptsache, er darf weiter Geschichten zuhören und Kindern die Angst vor dem Versagen nehmen.