«Nervenkitzel pur»: Marco Odermatt holt Pirmin Zurbriggen ein – zittert in Gröden aber bis zum letzten Fahrer um den Sieg
Die Skiwelt, wie wir Schweizer sie kennen, ist wieder im Gleichgewicht. Mit seinem Sieg in der Abfahrt von Gröden hat Marco Odermatt die Führung im Gesamtweltcup übernommen. Zehn Rennen hat es dafür gebraucht – wobei der Nidwaldner die drei Slaloms nicht bestritten hat.
Und doch war es ein ungewohntes Bild, dass Marco Odermatt nicht ganz vorne im Klassement der Allerbesten stand. Dreimal in Serie hat er die grosse Kristallkugel gewonnen. Und dass der vierte Gesamtsieg in diesem Winter dazukommen wird, galt vor der Saison als ungeschriebenes Gesetz.
Dann aber sorgten zwei Ausfälle in den Riesenslaloms von Sölden und Beaver Creek dafür, dass diese Gesetzmässigkeit kurzfristig ins Wanken geriet. Obwohl der 27-Jährige in dieser Phase auch ein Rennen gewann (Super-G in Beaver Creek) und einmal auf Rang zwei fuhr (Abfahrt an gleicher Stelle) verstanden viele die Welt nicht mehr. Odermatt selbst sagt es so: «Ich war mich nur am Rechtfertigen, das war eine neue Situation.»
Odermatt gelingt die Schlüsselpassage perfekt
Spätestens jetzt ist die Skiwelt wieder in Ordnung. Und Odermatt quittierte das lautstark: Ein kräftiges «Ja» hallte gleich mehrfach durch den Zielraum in Gröden. Den Unterschied machte der 27-Jährige am Samstag in der sehr technischen Ciaslat. Wäre dem Nidwaldner die Schlüsselpassage nicht einmal mehr in Perfektion gelungen – es hätte niemals zum Sieg gereicht.
Die Piste wurde wie so oft mit Fortdauer des Rennens schneller. Martin Cater kam mit Startnummer 42 bis auf 50 Hundertstel an Odermatt heran. Und das, obwohl er in der Ciaslat 60 Hundertstel langsamer war. Oder Stefan Eichberger: Der Österreicher verlor in der Schlüsselpassage 74 Hundertstel und lag im Ziel als Sechster 52 Hundertstel hinter Odermatt.
Odermatt hatte es – mit dem Wissen, wie verrückt der Rennausgang in Gröden sein kann– bereits früh im Rennen angekündigt: «Man muss schon mit sehr viel Grün zur Ciaslat kommen, damit man mich schlagen kann.» Und die Führung hielt stand. Odermatt holte sich seinen 40. Weltcupsieg und zog so mit dem Schweizer Rekordhalter Primin Zurbriggen gleich.
Zu den «Opfern» der Schlüsselstelle gehören auch zwei Schweizer: Franjo von Allem war in den 18 Fahrsekunden 88 (!) Hundertstel langsamer als Odermatt – und belegte am Ende Rang zwei! Der 23-Jährige hatte mit Startnummer 4 mit Ausnahme der Ciaslat eine verblüffende Fahrt gezeigt. Und wurde dafür mit dem zweiten Podestplatz seiner Karriere belohnt.
Lars Rösti verpasst die Sensation in der Ciaslat
Aber auch von Allmen, der am Ende 45 Hundertstel auf Odermatt verlor, musste zittern. Nils Allegre (Rang vier) war nur zwei Hundertstelsekunden langsamer als der Schweizer, Ryan Cochran-Siegle auf Rang drei nur eine.
Und dann war da noch Lars Rösti. Mit Startnummer 34 fuhr er mit 86 Hundertstelsekunden Vorsprung auf Odermatt in die Ciaslat, verpasste die Schlüsselstelle aber komplett. Nur fünf der 64 Starter waren in dieser Passage langsamer er. Trotzdem belegte der Berner am Ende Rang zwölf. Franjo von Allmen sagte: «Es war Nervenkitzel pur. Das macht einen fertig.»