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Ist es schwer, den ganzen Tag von den Kindern getrennt zu sein? – Und andere Fragen, die man arbeitenden Müttern ruhig stellen soll

Wie schafft man es, gleichzeitig Mutter und beruflich erfolgreich zu sein? Diese Frage wurde zum Tabu. Das ist ein Fehler.

Die Tabus wandeln sich. Früher war es verpönt, dass Mütter überhaupt arbeiteten, wenn die Kinder noch klein waren. Heute ist es tabu, eine solche Mutter zu fragen, wie sie denn das alles unter einen Hut bringe. Weil hey, das fragt man einen Mann doch auch nie.

Swisscom-CEO Christoph Aeschlimann, 47, mit seinen zwei Kindern zum Beispiel. Oder den Ex-Nationalbankpräsidenten Philipp Hildebrand, der drei Kinder hat – dazu noch in zwei unterschiedlichen Familien. Und kürzlich hat er seine dritte Frau geheiratet. Auch FDP-Generalsekretär und Ex-Arena-Moderator Jonas Projer mit seinen fünf Kindern wurde das nicht regelmässig gefragt – oder Roger Federer, der an der Weltspitze und Vater war.

Jetzt redet Belinda Bencic darüber, wie es ist, Mutter und Tennisstar zu sein. Das ist richtig so. Als die Ex-Miss und Sängerin Linda Fäh letztes Jahr über ihr neues Leben als Mutter sprach, fragte sie ein Fan, ob sie nicht manchmal das Gefühl habe, dass sie zu oft weg sei und deswegen viel von der Entwicklung ihres Sohnes verpasse. Eine Followerin konterte auf Instagram eben damit, dass man diese Frage einem Mann nie stellen würde. Fäh schrieb dazu: «Danke, du sprichst mir aus dem Herzen.»

Was aber vermutlich alle (Mütter) tatsächlich interessiert, ist: Hat Fäh nun das Gefühl, etwas zu verpassen oder hat sie es nicht? «Tatsächlich überhaupt nicht», lautete die Antwort. «Ja, ich habe viele Events und Auftritte, aber ich bin auch viel daheim.» Das ist spannend für alle Mütter, die manchmal ein schlechtes Gewissen haben oder wenn nicht, sich fragen, ob der Mangel an schlechtem Gewissen nicht noch verwerflicher sei.

Ich kenne jedenfalls keine berufstätige Mutter oder eine Frau mit Kinderwunsch, die es nicht interessiert, «wie man das alles unter einen Hut bringt». Und deshalb sollten wir darüber reden. Wie die Soziologie-Professorin Katja Rost, die kürzlich in einem Interview sagte: «Ich war glücklich, dass ich zurück in den Arbeitsalltag konnte. Das Muttersein hat mich am Anfang wahnsinnig überfordert. Ich musste da erst reinwachsen.» Oder eben Belinda Bencic, die sagt, seit sie Mutter sei, könne sie Niederlagen besser hinter sich lassen, weil das Tennis nicht mehr ihr Ein-und-Alles sei.

Wenn wir den erfolgreichen Frauen diese Frage nicht stellen, dann bleibt die Arbeitswelt die alte Männer-Welt mit den bekannten Karrieregesetzen: Die Arbeit hat Priorität und Teilzeitarbeit geht nicht. Diesem Gesetz beugen sich je nach Arbeitsort auch Frauen und erzählen möglichst nicht von zuhause, damit man vergisst, dass sie auch Mütter sind.

Natürlich sollten wir die Frage auch den Männern stellen: «Herr Aeschlimann, wenn eine Sitzung am Geburtstag Ihres Kindes angesetzt wird – nehmen Sie dann trotzdem teil?» «Herr Hildebrand, wie oft pro Woche sehen Sie Ihre Zwillinge?» «Herr Projer, hätten Sie das auch ohne Ihre Frau geschafft?» Und: «Herr Federer, waren es rückblickend all die Pokale wert, die ersten Schritte Ihrer Kinder zu verpassen?»

Vielleicht würden sie ja sagen, vielleicht nein. Nicht allen Männern liegen ihre Kinder gleich stark am Herzen, nicht bei allen kommen sie an erster Stelle. So ein Pokal kann verlockender sein und ein hohes Amt kann alles abverlangen. Das ist okay. Aber so soll es auch bei den Frauen sein. Darüber sollten wir reden.

Denn es ist manchmal ein ziemlicher Spagat. Ex-Annabelle-Chefin Jacqueline Krause-Blouin gab 2023 ihren Chefposten ab: Der Balanceakt sei zu schwierig, sie sehe ihr Kind zu selten, sagte sie damals. Und die Top-Managerin Thasunda Brown Duckett, Managerin eines US-Finanzkonzerns, sagte in einem Interview im Herbst: «Work-Life-Balance ist eine Lüge». Ihre Kinder würden nur 30 Prozent ihrer Zeit kriegen.

Auch weil es oft nicht funktioniert, sollten wir die Alles-unter-einen-Hut-bringen-Frage den Müttern stellen. Den Vätern müssen wir die Frage stellen, um zu erfahren, warum es denn bei ihnen offensichtlich funktioniert. Sie sollen dann ruhig mit ihrem Papi-Tag angeben, in jedem Interview. Bis der Papi-Tag in der Gesellschaft so hundsgewöhnlich ist, dass endlich mehr als nur zwei von zehn Vätern mit Kindern bis 12 Jahren überhaupt einen solchen bestreiten – und die Mütter entlasten.

Die Frage den Müttern zu stellen, ist nicht sexistisch. Verstehen wir sie als Respekts-Bekundung. Und pures Interesse. Sexistisch ist, sie den Vätern nicht zu stellen.