Pflanzen und Tiere beim Namen kennen: Die «Bio-Lehrer der Nation» stammen aus Rothrist
Klick. Die ersten vier Bilder erscheinen auf dem Bildschirm. Grünfink? Häkchen setzen und prüfen. Richtig. Und schon geht es weiter. Buntspecht? Haussperling? Kohlmeise? Hand aufs Herz. Wissen Sie, wie die Vögel heissen, die sich bei den momentan kalten Temperaturen rund ums Futterbrett scharen? Oder welche Pflanzen in Feld und Wald wachsen? «Ich vermute, dass immer weniger Kinder, Jugendliche und Erwachsene einen Haussperling von einem Buchfinken oder eine Wegwarte von einer Witwenblume unterscheiden können», sagt Beat Rüegger. Die Gründe sieht der pensionierte Sekundarlehrer, Reiseleiter und Co-Präsident des Rothrister Naturschutzvereins im fehlenden Zugang zur Natur sowie in mangelnden Lernpartnern, die beim Aufbau von Artenkenntnissen helfen könnten.
Hier setzte Rüegger 2006 zusammen mit Partnern an. Biofotoquiz.ch ist eine umfangreiche Bilderdatenbank, die aktuell rund 35 000 Bilder von mehr als 3000 Arten beinhaltet. Die kostenlose Plattform ermöglicht auf spielerische Art das Kennenlernen von Pflanzen und Tieren anhand von Bildern. Sie umfasst momentan unter anderem einen Lernmodus mit drei Schwierigkeitsstufen, vier verschiedene Quizformen mit Rangliste sowie ein Extra-Quiz mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad. Sie kann aber ebenso gut als Ergänzung bei Kursen oder zum Schulunterricht eingesetzt werden. In Letzterem hat sie auch ihren Ursprung.
Alles begann in einem Schulzimmer
Ihren Anfang nahm die Raterei vor etwa 20 Jahren nämlich im Schulzimmer. «Damals stellte ein Sekundarlehrer-Kollege im Geografieunterricht Bilder von Städten und Bergen auf eine Plattform und machte daraus ein Quiz für seine Schüler», erinnert sich Rüegger. Rüegger fand die Idee so gut, dass er sie gleich übernahm. Zuerst für den Biologieunterricht, später für die Allgemeinheit. In enger Zusammenarbeit mit dem damaligen Informatikverantwortlichen der Schule Rothrist, Hans Egg, konzipierte Rüegger biofotoquiz.ch als öffentliche Plattform. Zu Beginn mit ein paar Serien zu Pflanzen und Vögeln. «Als begeisterte Botanikerin konnte meine Frau Florence die Pflanzenfotos beisteuern», sagt Rüegger. Die Vogelfotos lieferte der ausgewiesene Vogelkenner selber.
Die Realisierung der öffentlichen Plattform wurde durch einen Startbeitrag des Bundes ermöglicht. Hans Egg wurde 2005 auf das Projekt «Goodpr@ctice» aufmerksam, mit dem das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie das E-Learning fördern wollte. Das Projekt von Florence und Beat Rüegger sowie Hans Egg überzeugte und wurde mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet. Anschliessend wandten sich die drei Rothrister ans Naturama Aargau, welches nicht nur das Patronat für das Quiz übernahm, sondern mit Thomas Flory und Stefan Grichting auch personelle Unterstützung für das Projekt zur Verfügung stellte.
Neues Pilzmodul aufgeschaltet
In der Folge fanden sich weitere namhafte Organisationen und Institutionen, welche den Auf- und Ausbau der Plattform ermöglichten: Neben dem Naturama waren dies insbesondere der Alpiq-Ökofonds, Pro Natura Schweiz, das Bundesamt für Umwelt, BirdLife Schweiz und Aargau, das Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, die Schweizerische Vogelwarte Sempach oder Jagd Schweiz.
Mit der Gebrüder Hallwyler AG und der Rivella AG zeichneten auch zwei Rothrister Firmen als Sponsoren. Dank des breit abgestützten Sponsorings konnte die Plattform stark erweitert werden. Aus den wenigen hundert Fotos, die Rüeggers Schüler vor fast 20 Jahren im Klassenzimmer bearbeiten konnten, ist heute eine ansehnliche Datenbank mit rund 35 000 Fotos geworden. Gut die Hälfte davon stammt von Florence und Beat Rüegger.
Die Standardmodule haben ebenfalls Zuwachs erhalten. Neben den beiden ursprünglichen Modulen Pflanzen und Vögel kann man sein Wissen heute auch bei weiteren Standardmodulen testen: Amphibien und Reptilien, Heuschrecken, Schmetterlinge, Säugetiere, Libellen, Fische. Dazu kommen vier sogenannte Partnermodule, die in Zusammenarbeit mit Partnern wie Agroscope, Pro Natura, der Schweizerischen Botanischen Gesellschaft oder Verlagen entwickelt wurden.
Den vorläufig letzten Zuwachs erhielt das Biofotoquiz vergangene Woche. «In Zusammenarbeit mit einem der besten Pilzexperten im Kanton Aargau, Benno Zimmermann, und seinem Team haben wir nach dreijähriger Vorarbeit ein Pilzmodul aufschalten können», sagt Rüegger. 817 Bilder von 196 Pilzarten umfasst das Modul momentan, viele weitere sollen dazukommen. «Das Biofotoquiz ist eben eine permanente Baustelle», sagt Rüegger und lacht. 2000 Bilder von Pilzen sollen es dereinst werden, auf denen Mönchskopf, Orangebecherling, Samtfussrübling, Totentrompete, Schopftintling & Co. bestimmt werden können. Angaben, ob ein Pilz essbar, geniessbar oder giftig ist, fehlen. Das sei mit Absicht so gemacht, sagt Rüegger. «Unser Quiz ersetzt in keiner Art und Weise eine Pilzkontrolle», betont er.
Parallel zum grösser gewordenen Inhaltsangebot der Plattform haben sich auch die Besucherzahlen und Seitenaufrufe von biofotoquiz.ch entwickelt. Wurden zu Beginn – die offizielle Aufschaltung der Website erfolgte im September 2007 – rund 500 bis 600 Serien pro Monat gelöst, so waren es im vergangenen Jahr mehr als 70 000 Serien pro Monat. Tendenz weiterhin stark steigend. «Das Quiz ist zum Selbstläufer geworden», sagt Rüegger. An der Natur interessierte Menschen und wahrscheinlich auch Schüler und Lehrer hätten sich ans Angebot gewöhnt. So könne er bei Exkursionen immer wieder feststellen, dass die Teilnehmer vorher am Bildschirm geübt hätten.
Mit Erfolg, wie eine Episode aus der Anfangszeit zeige. Ungefähr im Jahr 2008 müsse es gewesen sein, als in allen möglichen Ranglisten nach einem Vornamen der Zusatz «3. Klasse Wolfwil» aufgetaucht sei. Nach einer Anfrage des Lehrers Christian Kühni habe er diese Klasse auf einer Vogelexkursion begleitet. «Ich habe gestaunt, wie viele Vögel die Jugendlichen auf Anhieb erkannt haben», sagt Rüegger und lacht. «Es brauchte mich als Fachmann damals kaum mehr.»