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Piepst’s bei dir? Wie intelligente Geräte uns das Denken abnehmen

Sehr einsilbig erinnern uns Mikrowelle, Kühlschrank, die Zugtür und seit neustem auch das Auto daran, wenn wir was falsch machen. Das ist gut gemeint. Aber jeder Piepston lässt zwei Nerven durchbrennen.

Angefangen hat das Gepiepse mutmasslich mit der Mikrowelle. «Pling!», so lernten wir in den 90er-Jahren, bedeutet: «Das Essen ist aufgewärmt, nimm’s raus.» Auch andere Geräte begannen mit uns zu sprechen, einsilbig zwar, aber sehr aufmerksam: Die Waschmaschine meldet, wenn sie fertig ist, die Self-Scanning-Kasse, wenn sie geschnallt hat, welches Produkt wir ihr vor die Nase halten. Da sind wir doch dankbar für die Info. (Ob das die Kassiererinnen auch so sehen, die von morgens bis abends vollgepiept werden?) Auch wenn dem Steamer im Backofen das Wasser ausgegangen ist, muss er mir das ja irgendwie mitteilen. Discolicht wäre eine Möglichkeit, aber das Piepsen ist halt billiger.

Nett ist natürlich auch, dass uns die Geräte vor den zahlreichen Gefahren im Haushalt warnen: «Achtung, der Kühlschrank vereist und frisst Strom, weil die Türe noch offensteht!» oder «Achtung, das Bügeleisen brennt sich wahrscheinlich gerade durch deine Lieblingsbluse!»

Während der Klischeemann solche intelligente Gerätekommunikation mutmasslich eher schätzt, fühlt sich die Klischeefrau auch mal persönlich angegriffen, weil ich doch nicht doof bin!und im Fall gerade den Kühlschrank putze und das Bügeleisen selbstverständlich auf der feuerfesten Ablage liegen habe!

Der kleine Polizist auf dem Tacho

Die Männer – wenn wir denn schon bei den Klischees sind – verlieren, so würde ich wetten, die Contenance eher, wenn der Autohersteller ihnen helfen will. Beim «tüüt-tüüt-tüüt-tüüt» rückwärtsfahrenden Lastwagen geht’s ja noch, der Ton, den man als Mensch am besten mit zugehaltener Nase imitieren kann, ist schon kultig geworden. Aber irgendwann nach dem Gurtenobligatorium 1981 wurde das Auto zum Gesetzesvollstrecker: Wer nicht wie vorgeschrieben angeschnallt war, den mahnt nun ein Piepsen. Und seit neustem sitzt ein kleiner Polizist auch noch auf dem Tacho: Neue Autos aus der EU piepsen, wenn wir die Geschwindigkeitslimite überschreiten. Bei der Geschwindigkeit hört der Spass auf, da lässt sich auch der technikbegeistertste Typ nicht ermahnen.

Aber hey, es ist wie beim Error-Ton des Computers: Er meint das nicht bös. Er kann sich einfach nicht eloquenter ausdrücken – und auch nicht diplomatischer. Wär natürlich cooler, wenn bei 125 km/h sich die KI melden würde mit: «Geile Chare hesch da, ordentliche Speed, ich geseh’s! Aber spar dir jetzt doch de Sprit oder, wenn’s blöd chunnt, grad no es neus Auto.»

Wobei, das würde jene, die lieber alle Fehler zuerst mal selber machen und den Nervenkitzel nicht anderswo finden, wohl auch nicht überzeugen. Und denken Sie nicht, Zugfahrende wären relaxter, weil nicht piepsbelästigt. Der neue Doppelstöcker FV-Dosto, bekannt für sein Rütteln, hat auch einen viel zu lauten, penetranten Türschliesston.

Von Musik würden wir uns lieber konditionieren lassen

Der Kanadier Michael Schutz, Autor des Buches «The Psychology of Music in Multimedia», sagt, dass uns das Piepsen nerve, sei kein Wunder, denn es sei ein künstliches Geräusch. Gegenüber dem «Blick» erklärte er einst: «Unsere Hirne sind evolutionstechnisch schlicht nicht auf Geräusche eingerichtet, die abrupt beginnen und abrupt aufhören – die meisten Geräusche in der Natur wie Vogelgesang, knarrendes Holz oder Schritte steigen in der Lautstärke an und schwellen wieder ab.»

Ich hätte daher ein paar Vorschläge. Wie wär’s mit dem sanften, alten Klassiker «Close the Door» von Teddy Pendergrass, wenn der Kühlschrank abzutauen droht? Oder statt des Bügeleisen-Piepsens der Song von Billy Joel «We Didn’t Start the Fire»? Wenn die Waschmaschine fertig ist, könnte John Denver säuseln: «Take Me Home, to the Place Where I Belong». Im Auto statt des Gurtenpiepsens vielleicht «Hold You Tight» von Tara Kemp? Bei zu viel Tempo natürlich «Slow Down, Take It Easy», feat. Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU). Und beim Rückwärtseinparkieren Baschis «Chum bring en hei!»