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Bund rechnet mit weniger Asylgesuchen – warnt aber: «Schlepper werden EU-Pakt als Verkaufsargument nutzen»

Die Asylsituation in der Schweiz dürfte sich in den nächsten Monaten entspannen, kündigt der neue Staatssekretär für Migration an. Das will der Bund nutzen, um den Pendenzenberg bei den Asylgesuchen abzubauen.

Dem neuen Asylchef der Schweiz, Vincenzo Mascioli, weht ein rauer Wind entgegen. Die Gemeinden warnten kürzlich vor einem Asylkollaps, Regierungsräte kritisierten den Bund scharf. Der Grund sind die vielen Asylsuchenden, die manche Behörden an ihre Grenzen bringen.

Nun dürfte sich die Situation bald etwas entspannen – jedenfalls gemäss Prognosen des Bundes. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) rechnet fürs laufende Jahr mit einem Rückgang der hohen Asylzahlen. 2024 hat der Bund 27’700 Asylgesuche registriert. Dieses Jahr dürften es gemäss dem wahrscheinlichsten Szenario des Bundes ungefähr 24’000 werden.

Das Amt erklärt den erwarteten Rückgang damit, dass sich vergangenen Herbst weniger Menschen auf den Weg nach Europa gemacht hätten. In der Schweiz sind die Folgen dieser Migrationsbewegungen jeweils im Frühling spürbar. Dazu kommen Ukrainerinnen und Ukrainer, die in der Schweiz den Schutzstatus S beantragen können. Der Bund rechnet – wie vergangenes Jahr – mit rund 17’000 Gesuchen.

«Bund will Kantone und Gemeinden entlasten»

«Wir wissen, dass die Unterbringungssituation in manchen Kantonen und Gemeinden nach wie vor angespannt ist», sagt Vincenzo Mascioli. Er hat Anfang Jahr die Leitung des Staatssekretariats für Migration übernommen. Mascioli betont: «Der Bund will Kantone, Städte und Gemeinden entlasten.»

Eine Massnahme, um das zu erreichen: Ab sofort bleibt ein Teil der Ukrainerinnen und Ukrainer in Bundesasylzentren untergebracht und wird nicht auf die Kantone verteilt. Dabei handelt es sich um jene, bei denen sich abzeichnet, dass ihr Gesuch abgelehnt wird. Das sind gemäss Mascioli rund 200 Personen pro Monat – jede und jeder siebte Gesuchstellende. Betrug die Ablehnungsquote zu Beginn des Kriegs noch 1,5 Prozent, hat sich der Anteil inzwischen verzehnfacht.

Welchen Effekt hat der EU-Pakt?

Ausserdem verspricht Mascioli, den Pendenzenberg abzubauen. Seit Jahren stapeln sich beim SEM die unbearbeiteten Asylgesuche. Im vergangenen Jahr habe man den Berg von 16’000 auf 12’000 offene Gesuche reduzieren können. Das Ziel sei, dass man auf 5700 Gesuche runterkomme, sagt Mascioli. «Das ist der Wert, bei dem unser System reibungslos funktioniert und alle Gesuche in Bearbeitung sind.»

In den vergangenen Jahren haben sich die Asylprognosen des SEM als relativ zuverlässig herausgestellt. Ein Unsicherheitsfaktor ist dieses Jahr die bevorstehende Asylreform in Europa. Voraussichtlich Mitte 2026 tritt der EU-Migrations- und Asylpakt in Kraft, mit dem das Asylrecht der Mitgliedstaaten vereinheitlicht werden soll.Auch die Schweiz ist davon betroffen.

Christoph Curchod, zuständig beim SEM für die Migrationsanalysen, rechnet mit einem gewissen «Torschlusseffekt»: «Schlepper werden den EU-Pakt als Verkaufsargument nutzen», glaubt er. Im Sinne von: Wer nach Europa will, soll sich möglichst rasch auf den Weg machen. Denn künftig könnte es schwieriger werden.