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Grüne-Ryser gibt SVP-Friedli Realitätscheck: «Nicht alle können sich das leisten wie Sie»

Die «Arena» zum Sparprogramm des Bundes zeigte einmal mehr den tiefen politischen Graben zwischen den Parteien. Es prallten zahlreiche Gegensätze aufeinander – und besonders beim Thema Asyl- und Klimaausgaben wurde es persönlich.

Diese Debatte verspricht politischen Zündstoff: Mit 59 Massnahmen soll der Bundeshaushalt um 3,7 Milliarden Franken entlastet werden. Zumindest, wenn es nach Bundespräsidentin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter geht, die mit ihrem Sparprogramm die drohenden jährlichen Defizite von rund 3 Milliarden Franken in den Griff bekommen will.

Gespart wird abgesehen von der Armee praktisch überall. Asylwesen, Bildung, Klimaschutz und die soziale Wohlfahrt sind die Bereiche, die es am meisten trifft. Die linken Parteien haben das Sparprogramm deshalb bereits als ideologischer Angriff von Rechts abgetan. Die Grünen haben sogar ein Referendum angekündigt – sollte das definitive Paket in der Vernehmlassung nicht nach ihrem Gusto geschnürt werden. Oder in ihren Worten: «Der Kahlschlag verhindert werden».n

Eine Zeit lang werden die Sparmassnahmen die Schweizer Bevölkerung also noch begleiten. Vielleicht sogar bis an die Urne. Denn wer die «Arena» von SRF vom Freitagabend zum Thema geschaut hat, der stellt fest: Der politische Graben ist tief.

Über Geld gestritten haben sich im SRF-Studio folgende Gäste:

Esther Friedli, SVP-Ständerätin, St. Gallen

Franziska Ryser, Grüne-Nationalrätin, St. Gallen

Beat Walti, FDP-Nationalrat, Zürich

Sarah Wyss, SP-Nationalrätin, Basel-Stadt

Sparen oder Steuern

«Wir haben ein Ausgaben-, kein Einnahmenproblem», lautet Karin Keller-Sutters bekanntes Mantra. Die Finanzministerin verteidigt ihr Sparprogramm mit diesem zentralen Argument: Die Einnahmen des Bundes seien stabil und würden im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum steigen, während die Ausgaben über die letzten Jahre explodiert seien.

Eine komplett gegensätzliche Meinung vertritt die St. Galler Grüne-Nationalrätin Franziska Ryser: Für sie ist das Sparprogramm nicht einmal notwendig, da die Schuldenquote der Schweiz im internationalen und auch europäischen Vergleich sehr tief sei. «Zwischen 2009 und 2019 hat der Bund regelmässig Überschüsse geschrieben», sagt sie. Laut der Grüne-Politikerin gebe es nur zwei Gründe, weshalb nun ein Sparprogramm zur Debatte steht: einerseits wegen der massiven Erhöhung des Armeebudgets, die ohne Finanzierungsvorschlag beschlossen worden sei. Und andererseits wegen der Weigerung der bürgerlichen Parlamentsmehrheit, die Schuldenbremse anzupassen.

Laut Ryser gebe es aber andere Wege, das Budget auszugleichen – mit Mehreinnahmen. «Wir haben in den letzten Jahren viele Steuergeschenke und -subventionen verteilt. Auch die konsequente Durchsetzung bestehender Steuern würde zusätzliche 500 bis 600 Millionen Franken bringen», erklärte sie.

Wie es sich für einen FDP-Vertreter gehört, verteidigte der Zürcher Nationalrat Beat Walti das Sparpaket und machte die Forderung nach höheren Steuereinnahmen zunichte. So betonte er, dass die Unternehmenssteuerreform und die OECD-Mindestbesteuerung für Grosskonzerne bereits zu höheren Einnahmen für den Bund führten.

Er sagt an die Grüne-Politikerin Ryser gerichtet: «Schauen Sie sich die Entwicklung an: Die Steuereinnahmen aus Unternehmenssteuern steigen an, sie haben sich seit 1990 sogar verdoppelt».

Walti erwähnt jedoch nicht, dass in den letzten 20 Jahren der Prozentsatz für die Unternehmensbesteuerung landesweit stetig abnahm. Während im Jahr 2007 schweizweit durchschnittlich rund 20,8 Prozent an Gewinnsteuern bei Unternehmen erhoben wurde, liegt der Wert 2022 laut KPMG nur noch bei 14,7 Prozent. Mit der OECD-Mindeststeuer wurde sie schweizweit auf 15 Prozent angehoben.

Rückendeckung erhält der FDP-Politiker jedoch von SVP-Ständerätin Esther Friedli. Sie erwähnt, dass «zahlreiche Studien» zeigen würden, dass Entlastungspakete oder Sparpakete eher positive Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. «Steuererhöhungen hingegen schaden der wirtschaftlichen Entwicklung.»

Die geprellten Kantone

Nebst der Grundsatzdiskussion, ob Sparen oder Steuern das richtige Mittel sei, rückten in der «Arena» auch einige konkrete Punkte aus Keller-Sutters Sparkatalog ins Zentrum. Besonders der grösste Posten sorgte für Diskussionen. Durch die Verkürzung der Integrationspauschale und der Sozialhilfevergütung für Flüchtlinge, die der Bund an die Kantone zahlt, sollen 689 Millionen Franken eingespart werden.

Tönt kompliziert, ist es aber nicht: Es geht darum, dass die Kantone zwei oder drei Jahre weniger Geld vom Bund erhalten, um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren.

Gar kein Fan dieses Vorschlags ist Sarah Wyss, SP-Nationalrätin und Präsidentin der Finanzkommission, wie sie sagt: «Diese 689 Millionen Franken verschwinden nicht einfach, nur weil der Bund seine Zahlungen früher einstellt. Es gibt keine Studie, die belegt, dass die Integration dadurch schneller gelingt.»

Wyss warnte, dass die vermeintlichen Einsparungen in Wirklichkeit eine Verschiebung der Kosten auf die Kantone bedeuten würden: «Für St. Gallen allein wären das 138 Millionen Franken mehr pro Jahr. Das ist kein Abbau, sondern eine Kostenverlagerung.» Die SP-Politikerin griff dabei direkt Esther Friedli an, die als Ständerätin des Kantons St. Gallen die Interessen der Kantone vertreten sollte: «Diese einseitige Kostenverlagerung auf die Kantone zu verhindern, wäre eigentlich Ihre Aufgabe als Ständerätin».

Doch Friedli bleibt ihrer Parteilinie treu und erklärt: «Wir müssen Massnahmen ergreifen, damit diese Kosten in Zukunft gar nicht mehr anfallen – weder auf Bundes-, Kantons- noch Gemeindeebene.» Die SVP-Ständerätin erklärt, dass die jährlichen Kosten im «desolaten Asylbereich» mittlerweile bei 3,5 Milliarden Franken liegen würden. Und viel Geld fliesse an vorläufig Aufgenommene. «Diese Zahlungen betreffen oft Menschen, die kein Bleiberecht haben und die Schweiz verlassen müssten. Doch stattdessen bleiben sie jahrelang im System und verursachen hohe Kosten.» Dann offenbart Friedli, wie ihre Partei wirklich Geld sparen will: «Wir müssen sicherstellen, dass Menschen mit einem negativen Asylentscheid das Land schnell verlassen.»

Um wieder zum Thema zurückzukehren, erklärt FDP-Nationalrat Beat Walti etwas differenzierter, dass Asyl sicher «eine Bundesaufgabe» sei, bei dem man die regionalen Unterschiede berücksichtigen müsse. Er erwarte deshalb bei diesem Sparpunkt noch «heftige Diskussionen». Doch Walti betonte: «Es wäre vorschnell, jetzt das Ende der Integration auszurufen.»

Friedlis Gebäudesanierung

Ein besonders emotionaler Punkt für die Grünen auf der Sparliste des Bundes ist das Gebäudeprogramm, das energetische Sanierungen und den Einsatz erneuerbarer Energien fördert. Bereits seit 15 Jahren unterstützt es private Haushalte mit Subventionen bei der Umstellung auf nachhaltige Heizsysteme wie Wärmepumpen und der Installation von Photovoltaikanlagen. Doch der Bund will die Förderung einstellen und sich stärker auf Innovationen konzentrieren, wodurch er sich Einsparung in der Höhe von 389 Millionen Franken erhofft.

Für SVP-Ständerätin Esther Friedli ist diese Sparmassnahme eine logische Konsequenz, da viele Gebäudesanierungen auch ohne staatliche Unterstützung durchgeführt werden, wie sie erwähnt. Die Unterstützung des Staates sei für viele nur ein netter «Zustupf». Es gebe andere Vorteile einer Sanierung, die sie an ihrem eigenen Beispiel erklärt: «Wir haben unser Restaurant komplett saniert, ohne staatliche Gelder. Die langfristigen Einsparungen bei den Heizkosten und der verbesserte Komfort sind Grund und Motivation genug für viele Bürgerinnen und Bürger, ihre Häuser auch ohne Gebäudeprogramm zu sanieren.»

Während Friedli spricht, merkt man, wie es in Grüne-Nationalrätin Franziska Ryser brodelt. Sie sagt: «Das Gebäudeprogramm hat sich als sehr wirksam erwiesen. Es wird von den Kantonen geschätzt und hat massgeblich dazu beigetragen, dass viele Ölheizungen ersetzt wurden.» Die Grüne-Politikerin warnt, dass die Abschaffung des Programms gerade die Kantone in Schwierigkeiten bringen werde, da diese damit langfristig geplant hätten. «Jetzt lässt man die Leute allein. Denn: Nicht alle können sich das leisten wie Sie, Frau Friedli».

Von diesem Realitätscheck bekommt die SVP-Ständerätin und Unternehmerin jedoch nicht viel mit. Sie antwortet nüchtern: «Wir haben lange angespart, manchmal muss man auch sparen.»

Ein Satz, der sinnbildlich für den Graben in dieser Debatte steht – zwischen jenen, die den Staat in der Verantwortung sehen, und jenen, die auf Eigenverantwortung pochen. Welche Haltung die Schweizer Bevölkerung bevorzugt, könnte sich in ein paar Jahren an der Urne zeigen.