Bund ermittelt in türkischem Geldwäscher-Milieu – warum ein dubioser Ladenbesitzer jetzt als Zeuge aussagen muss
Die Antepay-Bande: Wegen Verbrechen gegen das Geldspielgesetz und Geldwäscherei verurteilte das Bezirksgericht Zürich im letzten Dezember vier türkischstämmige Männer. Sie fassten Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren. Drei von ihnen sollen gemeinsam 171 Millionen Franken zurückzahlen. Diese Summe hatte die Bande schwergewichtig mit der illegalen Glücksspiel-Bezahlkarte Antepay erbeutet. Die war von 2019 bis 2021 Hauptsponsor des Fussballklubs FCZ.
In diesem türkischen Umfeld ermittelt jetzt auch die Bundesanwaltschaft, wie einem kürzlich veröffentlichten Beschwerdeentscheid des Bundesstrafgerichts zu entnehmen ist. Im Visier sind zwei Personen, es geht um schwere Geldwäscherei.
Dabei will die Bundesanwaltschaft auch einen verurteilten Geldwäscher in einer Konfrontationseinvernahme als Zeugen befragen. Der Türke hatte unter anderem für die Antepay-Bande Geld gewaschen. Er soll auch für einen der beiden Beschuldigten der Bundesanwaltschaft «verbrecherisch erlangte Vermögenswerte gewaschen» haben.
Mit seiner Beschwerde versuchte der Türke, dieser für ihn verzwickten Einvernahme zu entgehen. Er berief sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht: Aus Sicherheitsgründen könne er nicht aussagen.
Geld waschen an der Quelle im Langstrassenquartier
Der Mann betreibt einen Balkan-Markt im Zürcher Langstrassenquartier. Er gab in seiner Beschwerde sinngemäss an, sein Geschäft sei bereits wiederholt von maskierten Gegnern des türkischen Präsidenten Erdogan verwüstet worden. Wenn er jetzt Aussagen mache, drohe ihm erneut Gewalt, so sein Anwalt, «geeignete Schutzmassnahmen» gebe es offenkundig keine. Dem Mann drohe «wahlweise von militanten Internationalisten oder aber von der türkischen Regierung Ungemach». Er dürfe nicht «zum Opferlamm für innertürkische Angelegenheiten gemacht werden».
Die unbekannten, vermutlich kurdischen Militanten hatten dem Ladenbesitzer 2024 in einem «Manifest» vorgeworfen: Wenn er «nicht gerade überteuerte Lebensmittel (…) oder Raki unter der Ladentheke verkauft, dann steuert er die Finanzierung der AKP aus der Schweiz». Die AKP ist die Partei des türkischen Präsidenten Erdogan. Die «Faschisten» beschafften sich, so das Manifest, in der Schweiz Geld «mit legalem Verkauf von Lebensmitteln», aber auch «mit dubiosen Spiel- und Wettgeschäften» sowie Geldwäsche.
Ganz aus der Luft gegriffen ist das zumindest nicht, denn der Ladenbesitzer wurde vor einem Jahr in Zürich wegen schwerer Geldwäscherei zu drei Jahren Haft und 200’000 Franken Geldzahlung verurteilt.
Innert drei Jahren 10 Millionen gewaschen
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, innert drei Jahren über 10 Millionen gewaschen und über 100’000 Franken dabei verdient zu haben. Gemäss Anklage nahm er «Bargeld in jeweils fünf- bis sechsstelliger Höhe von diversen Personen entgegen», das unter anderem «aus dem internationalen Kokainhandel, dem gewerbsmässigen illegalen Glücksspiel und weiteren Verbrechen» stammte.
Allein für den Boss der Antepay-Bande führte er «Geldtransfers» in der Höhe von rund 1,6 Millionen Franken durch. Immer mal wieder seien «Plastiksäcke voller Geld» bei ihm angeliefert worden, wie SRF berichtet hatte.
Die Sache mit dem unschuldigen «Opferlamm für innertürkische Angelegenheiten» nahmen dem Mann jetzt weder Bundesanwaltschaft noch das Bundesstrafgericht ab. Zwischen der geplanten Befragung durch die Bundesanwaltschaft und den Angriffen der Militanten gebe es keinerlei Zusammenhang. Zudem sei die Befragung ja gar nicht öffentlich, die Militanten würden also gar nichts davon erfahren. Der Mann habe nicht glaubhaft machen können, dass ihm deswegen von dieser Seite Gefahr drohe.
Geldwäscher vor heikler Zeugenaussage
In Tat und Wahrheit, aber das führte das Gericht nicht so direkt aus, fürchtet der Türke natürlich nicht die Militanten, sondern ganz offensichtlich sein eigenes Lager. Jene mutmasslich kriminellen Kreise, mit denen er geschäftete und gegen die die Bundesanwaltschaft jetzt ermittelt. Sie sind es, die der Ladenbesitzer lieber nicht durch seine Aussagen belasten würde.
Der Mann blitzte also mit seiner Beschwerde ab; sie kostet ihn 2000 Franken allein an Gerichtsgebühr. Er wird, daran erinnerte ihn die Bundesanwaltschaft bereits vorsorglich, die «Aussage nur bezüglich solcher Fragen verweigern können, deren Beantwortung ihn selbst einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben aussetzen würde».