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An vielen Gemeindeversammlungen in der Schweiz bleiben die Säle leer – in Buchberg ist es anders: Abwesende werden gebüsst
Schwach besetzte Reihen im Saal – so sieht es an den meisten Gemeindeversammlungen in der Schweiz aus. Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden über die Höhe des Steuerfusses, über grössere Bauprojekte und anderes mehr. Doch die Beteiligung ist so tief, dass man sich zuweilen fragt: Sind die Anwesenden repräsentativ für die ganze Gemeinde?
Es gibt aber Ausnahmen. Wenn in Buchberg im Kanton Schaffhausen wichtige Themen auf der Traktandenliste stehen, finden sich im Gemeindezentrum zwischen 30 und 40 Prozent der Stimmberechtigten ein. Buchberg hat die Einwohnerinnen und Einwohner kürzlich im Gemeindeblatt daran erinnert: Die Teilnahme an der Gemeindeversammlung ist Pflicht. Wer dem Treffen unentschuldigt fernbleibt, bezahlt eine Busse.
Das Vergehen lautet: Wahlversäumnis. Höhe der Busse: sechs Franken.
Studien zeigen, dass die Beteiligung an Gemeindeversammlungen ungefähr bei neun Prozent liegt. In den bevölkerungsreicheren der 2121 Schweizer Gemeinden, die kein Parlament haben, besuchen sogar nur zwei bis drei Prozent der Stimmberechtigten die Versammlungen. Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner verzichten darauf, ihre politischen Rechte auf lokaler Ebene wahrzunehmen.
Wer älter ist als 65, kommt ohne Busse davon
Hanspeter Kern fände es schlimm, wenn es in Buchberg auch so wäre. Der Gemeindepräsident (SVP) redet stolz über seinen Wohnort: 900 Einwohner, als schaffhausische Exklave auf einem Hochplateau im Zürcher Unterland gelegen. Die Menschen engagieren sich in den Vereinen – und beteiligen sich politisch. Wobei man sie mit sanftem Druck dazu anhält. «Die Stimmpflicht hat Tradition bei uns», sagt Kern.
Im Gesetz des Kantons Schaffhausens steht: Die Teilnahme an den eidgenössischen, kantonalen und lokalen Abstimmungen und Wahlen sowie an den Gemeindeversammlungen ist obligatorisch – bis zum 65. Altersjahr. «Wer diese Pflicht ohne Entschuldigung versäumt, hat 6 Franken zu bezahlen.»
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Severin Bigler / CH Media
Mehrere Kantone kannten die Stimmpflicht, hoben sie aber auf. In Schaffhausen blieben entsprechende Vorstösse chancenlos. Die Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen ist im Nordzipfel des Landes klar höher als in allen anderen Kantonen. An den vier nationalen Abstimmungssonntagen des Jahres 2024 lag die Stimmbeteiligung durchschnittlich bei 47,3 Prozent. Im Kanton Schaffhausen waren es 65,8 Prozent.
In Buchberg übersteigt die Beteiligung sogar oft 75 Prozent – Gemeindepräsident Kern findet das «phänomenal». Er erklärt: Wenn jemand an einer Wahl oder Abstimmung nicht teilnehmen wolle, genüge es, die Stimmkarte auf der Gemeinde abzugeben – bis spätestens drei Tage nach dem Termin. So entgehe man der Busse.
Gesamtschaden in der Höhe von 50 Franken in einem Jahr
Wie zieht Buchberg das Geld ein bei den politisch Desinteressierten? Hanspeter Kern sagt, dass die Gemeinde einmal im Jahr eine Rechnung an die Haushalte für den Wasserkonsum und die Kehrichtabfuhr verschicke. Da würden Wahlversäumnisse dazugerechnet. «Wer ohne Abmeldung an keiner Wahl und Abstimmung teilgenommen hat und den Gemeindeversammlungen ferngeblieben ist, bezahlt ungefähr 50 Franken. Das ist zu verkraften.»
Der Kanton Schaffhausen hat eine Umfrage gemacht unter seinen 26 Gemeinden: Decken die Erträge der Busse für Wahlabstinente den administrativen Aufwand? Die Antwort von 21 Gemeinden lautete: ja. Die Stadt Schaffhausen nimmt pro Jahr rund 100’000 Franken mit dieser Sanktion ein.
Daran wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern. Die Stimmpflicht ist im Kanton Schaffhausen unbestritten – und in Buchberg ganz besonders. Man kann einwenden: Warum übt der Staat Zwang aus, wo er es nicht tun müsste? Sind Personen, welche die direktdemokratischen Instrumente ausser Acht lassen, nicht selber schuld? Sollte es den Menschen in einer Demokratie nicht freistehen, ob sie an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen oder nicht?
Wo die Thur in den Rhein fliesst, denken die Leute nicht so. Die Stimmpflicht trägt dazu bei, dass die Gemeindeversammlungen in Buchberg gut besucht sind. Gemeindepräsident Kern betont: «Auch wenn es um nichts Wichtiges geht, erscheinen mindestens 100 Personen.»