![s3hub-zofingertagblatt-productionuploads20250278c7f6ad-39ae-b69c-8c76-d79c47575276-1733459.jpeg](https://www.zofingertagblatt.ch/uploads/2025/02/78c7f6ad-39ae-b69c-8c76-d79c47575276-1733459.jpeg)
Erst kassiert sie eine Dopingsperre, dann wird sie Weltmeisterin: Die verrückte Geschichte von Breezy Johnson
Es schien nicht so, als wäre es dem ORF-Kommentator schwergefallen, die Worte über die Lippen zu bringen: «Das ist ganz sicher eine Enttäuschung für das Schweizer Team», bilanzierte er. Lara Gut-Behrami und Corinne Suter, die beiden grössten Schweizer Hoffnungsträgerinnen für die WM-Abfahrt, gingen leer aus. Gut-Behrami erreichte das Ziel nicht, Suter wurde Sechste. Malorie Blanc und Priska Ming-Nufer auf den Plätzen 19 und 21 sorgten bloss für Randnotizen. Bei gewöhnlichen Rennen könnte man von Weltcup-Punkten reden. In einer WM-Abfahrt zählen bloss die Medaillen.
Gut-Behrami durfte sich insofern als Gewinnerinnen fühlen, weil ihr Tag nicht im Spital endete. Die Tessinerin war ganz gut unterwegs. Ihr Rückstand auf die Spitze hielt sich in Grenzen. Doch dann geriet sie im unteren Streckenabschnitt nach einer Bodenwelle kurz aus dem Gleichgewicht und verpasste ein Tor – den Sturz konnte sie gerade noch vermeiden. Gut-Behrami sagte: «Es hat viele Wellen, es kann viel passieren. Das Wichtigste ist, dass ich gesund bin und noch fahren kann.» Mit den künstlichen Wellen konnte sich Gut-Behrami nicht ganz anfreunden. Im Vorfeld sagte sie gar, die Piste würde eher an Skicross erinnern.
![](https://www.zofingertagblatt.ch/uploads/2025/02/78c7f6ad-39ae-b69c-8c76-d79c47575276-1733423.jpeg)
Bild: Jean-Christophe Bott / EPA
Das WM-Programm der letzten Tage zehrte an der 33-jährigen Tessinerin. Innerhalb von fünf Tagen standen drei Trainingsläufe, ein Super-G und eine Abfahrt auf dem Programm. Es sei nun wichtig, Kräfte zu sammeln und sich optimal auf den Riesenslalom vorzubereiten, sagte sie. «Ich habe nun ein paar Tage vor mir, um wieder in Schwung zu kommen.» Es klang so, als würde sie sich die Team-Kombination vom kommende Dienstag schenken wollen. Gleiches gilt auch für Corinne Suter. «Ich schaue es noch mit den Trainern an, ob es Sinn macht, hier zu bleiben.» Würde Suter auf die Kombi verzichten, könnte sie abreisen.
Johnson war ganz unten
Bei den letzten beiden Weltmeisterschaften ging die Abfahrtsgoldmedaille noch in die Schweiz. 2021 siegte Corinne Suter, 2023 Jasmine Flury. Die Bündnerin musste in diesem Jahr bekanntlich Forfait geben, weil sie sich von ihrer Knieverletzung immer noch nicht vollständig erholt hat. Flury sorgte vor zwei Jahren für eine Überraschung, als sie mit Startnummer 2 eine Bestzeit aufstellte, die ihr WM-Gold bescherte. Einen ähnlichen Rennverlauf sollte es auch am Samstag geben.
Breezy Johnson, die zweimal in den Trainings mit dem zweiten Platz glänzte, eröffnete die WM-Abfahrt und beendete den Kurs in 1:41,29. Dass dies die Marke sein wird, an der sich alle nachfolgenden Fahrerinnen die Zähne ausbeissen sollten, war nicht offensichtlich. Johnson fuhr den oberen Teil gar nicht überragend, in den ersten beiden Sektoren war ein Dutzend Fahrerinnen schneller. Doch in den unteren Abschnitten distanzierte sie die Konkurrenz.
«Wenn so ein Resultat kommt, ist es einfach crazy», sagte Johnson hinterher. Aus heiterem Himmel kam die Leistung nicht. Nach ihren starken Trainings gehörte sie zum Kreis der Topfavoritinnen. Doch gemessen an ihren bisherigen Ergebnissen, entbehrt der WM-Titel einer gewissen Logik. Die 29-Jährige fährt seit einer Dekade Rennen auf der höchsten Stufe. In dieser Zeit hat sie es sieben Mal aufs Podest geschafft, ein Weltcupsieg gelang ihr noch nie.
«Ich arbeite schon so lange so hart. Manchmal fehlte das Glück, manchmal waren es Verletzungen», sagte Johnson. Und manchmal wurde ihr schlicht verboten, bei den Rennen zu starten. Erst im vergangenen Dezember ist Johnsons Dopingsperre abgelaufen. Davor war sie während 14 Monaten gesperrt. Nicht, weil ihr eine verbotene Substanz nachgewiesen werden konnte. Es handelte sich mehr um eine Nachlässigkeit in einem Bereich, in dem die Athletinnen wenig Marge haben.
Innerhalb eines Jahres hatte Johnson ihren genauen Aufenthaltsort der Anti-Doping-Behörde nicht korrekt gemeldet. Die Behörde braucht den Standort, um die Athletin jederzeit testen zu können. «Es war eine sehr herausfordernde Zeit», sagt Johnson rückblickend. Die Sanktion hatte weitreichende Folgen. Johnson durfte nicht mit dem Team trainieren, Sponsoren sprangen ab, ihr standen keine Trainer und Serviceleute zur Verfügung.
In dieser schwierigen Zeit ging sie auf den Schweizer Trainer und SRF-Experten Stefan Ablanalp zu. Der frühere Betreuer von Lindsey Vonn organisierte für Johnson Trainingspisten und stelle ihr einen Betreuerstab zusammen. Rund 200’000 Dollar hat die Athletin für die Finanzierung per Crowdfunding aufgetrieben. «Es ist solch ein Privileg, dieses Spiel zu spielen, sagte Johnson. «Und es ist immer besser, zu spielen und zu verlieren, als gar nicht erst zu spielen.»
Die Auferstehung von Puchner
![](https://www.zofingertagblatt.ch/uploads/2025/02/78c7f6ad-39ae-b69c-8c76-d79c47575276-1733460.jpeg)
Bild: Jean-Christophe Bott / EPA
Einen ähnlichen Aufstieg wie Johnson erlebte die Österreicherin Mirjam Puchner in den letzten Tagen. Puchner, die bloss 60 Kilometer von Saalbach-Hinterglemm aufgewachsen ist, konnte den Heimvorteil nutzen und gewann die Silbermedaille, 15 Hundertstel hinter Johnson. Das Podest vervollständigte schliesslich Ester Ledecka als Dritte, mit 21 Hundertstel Rückstand. Die 29-jährige Tschechin ist ein Phänomen des Schneesports. Nach wie vor gehört sie im alpinen Snowboard-Weltcup zur Spitze. Ende November gewann sie zuletzt ein Rennen im China.
Bemerkenswert war die Medaille von Mirjam Puchner. In einer Saison, in der ihr vieles misslingt, gewinnt sie ihre erste WM-Medaille. Ihre Ranglistenplätze waren in den vier Abfahrten dieses Winters nie einstellig. Puchner sagte: «Ich hatte eine perfekte Vorbereitung auf die Saison. Aber dann kam das erste Rennen, und es ist voll nach hinten losgegangen. Ich habe versucht, fokussiert zu bleiben, aber ich habe einfach nicht gewusst, warum es nicht geht.» Intern musste sie sogar noch die Quali fahren, um überhaupt in der WM-Abfahrt dabei zu sein.
Was für Puchner gilt, scheint für das gesamte österreichische Team zu gelten: In einer Saison, in der es gar nicht gut läuft, wird die Heim-WM zum Kraftort. Vor der WM-Abfahrt der Männer führt Österreich im Medaillenspiegel.