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Zur Schnapszahl gibt es in Oftringen ein schönes Fest
«Gesungen habe ich schon immer gerne», sagt Franziska Wüest. Die 55-jährige Zofingerin hat sich aber lange schwergetan, den passenden Verein zu finden, in dem sie ihrer Passion nachgehen konnte. Bis ihr Helene Wagner, Mitglied im Jodlerklub Kölliken und zusammen mit Evi Graber Leiterin des Kinderjodelchörli Vordemwald, vor acht Jahren den Weg zur Trachtengruppe Oftringen empfohlen hat. «Das hat gepasst», sagt Wüest.
Trachten – sie gelten als Ausdruck von Heimat, Ländlichkeit, Bodenständigkeit, Brauchtum, Kultur und Gemütlichkeit. Jeder Kanton hat seine eigenen Trachten, wobei im Allgemeinen zwischen Festtags-, Sonntags- und Werktagstrachten unterschieden wird. Insgesamt gibt es in der Schweiz über 700 unterschiedliche Trachten. Wie sie auszusehen haben, ist heute streng geregelt – von der Rocksaumlänge bis zum passenden Schuhwerk. Das war nicht immer so, wie ein kleiner Blick in die wechselhafte Geschichte der Schweizer Trachten zeigt.
Ihren Ursprung haben die Schweizer Trachten im 18. Jahrhundert. Trachten wurden damals von der ländlichen Bevölkerung getragen, nicht nur vom Bauernstand. Man zeigte damit seine Herkunft, seine Identität und auch den Wohlstand. Die Trachtenmode war damals noch frei von Regeln. So kombinierten um 1840 Nidwaldnerinnen Elemente aus der französischen Mode wie ein Seidenmieder mit einheimischen Stoffen. Im Zuge der einsetzenden Industrialisierung verschwanden die Trachten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fast vollständig aus dem Strassenbild. Und erlebten dann eine Renaissance. Um die Trachten als kulturelles Erbe zu bewahren, wurde 1898 in Zürich ein erstes Trachtenfest veranstaltet.
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Bild: zvg / Remo Buess
«Gegen Modetorheiten à la Bubikopf»
Parallel dazu begann das Schweizerische Landesmuseum, bäuerliche Trachten zu sammeln und auszustellen. Treibende Kraft war die Zürcher Modistin und Inhaberin eines Modegeschäfts, Julie Heierli (1859–1938), die aktiv Trachten sammelte und sichtete und in den Jahren 1922 bis 1932 ihr fünfbändiges Hauptwerk «Die Volkstrachten der Schweiz» veröffentlichte, das bis heute als die umfassendste und historisch fundierteste Arbeit zum Thema gilt.
Am 6. Juni 1926 kam es in Luzern zur Gründung der «Schweizer Trachten- und Volkslieder-Vereinigung», die später in Schweizerische Trachtenvereinigung umbenannt wurde. Die neue Vereinigung wollte die Trachten erhalten und die Schweizerinnen ermuntern, sich für das sogenannte «Kleid der Heimat» starkzumachen. Mit zum Teil markigen Worten. Die Vertretung aus dem Baselland etwa regte an der Gründungsversammlung an, dass sich die neue Vereinigung «gegen Modetorheiten à la Bubikopf» und gegen «jede künstlerische Überfremdung, besonders auch auf dem Gebiete von Musik und Gesang» stelle, wie der Historiker Michael van Orsouw in einem Blog des Nationalmuseums mit dem Titel «Bubikopf oder Trachtenhut» aufgezeigt hat.
Die neue Vereinigung machte Nägel mit Köpfen. Ernst Laur-Bösch (1896–1966), Präsident der Trachtenvereinigung, engagierte in den 1930er-Jahren Textildesigner, um die heute bekannten Schweizer Trachten entwerfen zu lassen. Das Trachtenwesen erlebte einen grossen Aufschwung, in den 1930er-Jahren wurden viele Trachtengruppe gegründet.
Und gerade in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Tracht eine neue Bedeutung. Im Zuge der geistigen Landesverteidigung wurde sie zum patriotischen Sinnbild umgedeutet – «zu einem Bestandteil der Schweizer DNA», wie es van Orsouw ausdrückt. Mit entsprechendem Liedgut. «Ich bin froh, dass ich diese Lieder nie singen musste», sagt Dora Schütz. Die Strengelbacherin gehört der Trachtengruppe Oftringen seit 46 Jahren an und hat im Hinblick auf den Jubiläumsabend mit zwei langjährigen Vereinskolleginnen das Archiv durchforstet. «Schweizer Wache» heisst etwa eines der «neuen Vaterlandslieder». «Ein Volk ist aufgestanden, ein heimlich starkes Heer. Noch ist die Wucht vorhanden, die Gegnermacht zu schanden mit Spaten, Spruch und Speer», lautet die erste Strophe.
Starkes Wachstum unter Hanni Bracher
Damit nach Oftringen, wo die Gründung der Trachtengruppe am 21. Februar 1937 erfolgte. «Die Gründerinnen waren praktisch allesamt Bauersfrauen», sagt Schütz. Die Gründung erfolgte mit einem finanziellen Zustupf aus Aarburg, wo die Trachtengruppe Aarburg und Umgebung «wegen Zwistigkeiten aufgelöst worden war». An der ersten Hauptversammlung vom 13. März 1937 konnte die Aufnahme in den schweizerischen und aargauischen Verband bekannt gegeben werden, am Kinderfest von 1937 marschierte bereits eine Delegation des neuen Vereins mit. Die Kriegsjahre waren für den jungen Verein dann alles andere als einfach – der Besuch der Proben schlecht. Nach 1945 konnte sich die Gruppe festigen, sie zählte bald 20 Mitglieder, welche sangen und tanzten.
Mit Hanni Bracher, der bekannten Jodlerin, Dirigentin und Komponistin, die die Trachtengruppe Oftringen in der Zeit von 1967 bis 1992 dirigierte, erlebte die Gruppe ihren grössten Aufschwung. «Auf rund 50 Mitglieder», wie Schütz schätzt. Unter Bracher veränderte sich auch das Liedgut wesentlich, brachte sie doch den Jodelgesang in die Trachtengruppe, was bis heute so geblieben ist.
Corona hat dem Verein zu schaffen gemacht
Zurück in die Gegenwart. Unter dem Präsidium von Franziska Wüest hat die Trachtengruppe wieder Fahrt aufgenommen. Bis der Lockdown verkündet wurde. «Ich musste an der Hauptprobe am Vorabend verkünden, dass wir am kommenden Tag unseren Trachtenabend nicht durchführen können», erinnert sich Wüest. Der nächste Trachtenabend sollte erst zwei Jahre später wieder stattfinden können. Einige Mitglieder verliessen in dieser Zeit den Verein, altersbedingte Abgänge konnten kaum mehr ersetzt werden, obwohl viele Anstrengungen unternommen wurden, jüngere Mitglieder zu gewinnen. «Corona hat vieles verändert», stellt auch Schütz fest und schmunzelt. «Wir haben immerhin gelernt, wie wir uns besser schützen können», meint sie, in der Pause würde seither immer ein kleiner Schluck Appenzeller eingenommen.
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Bild: zvg
«Nun freuen wir uns aufs Jubiläum», sagt Wüest. Ein Jubiläum, bei dem die Trachtengruppe mit einem besonderen Programm aufwarten kann. Die Tanzgruppe unter der Leitung von Lisebeth Wälchli und Bruno Loosli wird traditionsreiche Trachtentänze präsentieren, der Chor unter der Leitung von Regula Zimmerli mit einem wunderbaren Liedprogramm aufwarten. Begleitet wird die Trachtengruppe wie üblich von der Oberbaselbieter Ländlerkapelle, die zu späterer Stunde auch zum Tanz aufspielen wird. Zudem gibt es auch eine Einlage eines Alphorn-Duos. Als «Special Guest» tritt mit «Volks-Rocker» Willy Tell ein bekannter Name aus der Schweizer Showszene in Oftringen auf. Das ehemalige «ChueLee»-Mitglied wird ein eigens für die Trachtengruppe komponiertes Lied mit dem Titel «Heimat» gemeinsam mit Chor singen. Als Grande Finale wird Willy Tell mit Chor und Tanzgruppe gemeinsam auftreten.
Jubiläumsabend 88 Jahre
Trachtengruppe Oftringen
Samstag, 22. Februar, in der Mehrzweckhalle Oftringen. Türöffnung: 18 Uhr; Programm ab 20 Uhr. Eintritt: 15 Franken (bis 12 Jahre 6 Franken).